Heilsames Erzählen

Feiertag

Ausschnitt: Ilja Repin – Vsevolod Garshin (1884)

Heilsames Erzählen
Wie sich individuelle Lebensgeschichten entschlüsseln
03.10.2016 - 07:05
04.07.2016
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh

Über die Sendung

Im Erzählen ordnen die einen ein, was sie erlebt haben. Und die nach ihnen kommen verstehen besser, was ihr Leben prägt. Der Schmerz und die Kraft, die sie spüren, speisen sich aus einem Erleben, das weiter ist als die eigene Biografie. Das zeigt sich auch, wenn Christen in Ostdeutschland ihre Erfahrungen schildern.

 

Sendung zum Nachhören

 

Sendung zum Nachlesen


Das Volk Israel zog aus Ägypten aus. Sie gingen miteinander, als Gemeinschaft, ihr Gepäck über die Schulter geworfen.

 

Und sie trugen ihre Erfahrungen mit sich, vor allem die Gewalt, die sie erlebt hatten. In Ägypten mussten die Israeliten Frondienst leisten, wurden geschlagen, bedrängt, erniedrigt. Und dann – so erzählt die Bibel – griff Gott ein, schickte den Ägyptern die Plagen. Am Ende ließ der Pharao widerwillig das Volk Israel ziehen. Ihr Weg führte sie durch das Rote Meer auf eine lange Wanderung. Gott hatte ihnen ein Land versprochen, in dem „Milch und Honig fließt“. Es dauerte schließlich vierzig Jahre, mehr als eine Generation, bis sie im Land der Verheißung ankamen. Der Weg dorthin führte sie durch die Wüste, mit Gefahren und Herausforderungen. Anstrengend war der Alltag und forderte Kraft. Warum sollten die Alten über das reden, was sie hinter sich gelassen hatten? Besser man vergisst das! Und es wäre auch zu schmerzlich gewesen, sich zu erinnern, an die Schläge der Aufseher, an die Beschimpfungen und Abwertungen, an die Kinder, die getötet, die Frauen, die vergewaltigt, die Männer, die erschlagen wurden, auch an Sich-Anpassen, an Verrat und Lieblosigkeit. Besser, man belastet die Jungen nicht mit all den dunklen Erinnerungen!

 

Und so schwiegen die Älteren, vergruben die Erinnerungen tief in ihrem Herzen, gingen weiter, setzten einen Fuß vor den anderen, froh, dass Ägypten weit hinter ihnen lag, voller Hoffnung, dass das Leben im neuen Land besser, freier, gesegnet sein würde. Ihr Schweigen verschüttete die Erinnerungen. Vom Elend wussten die Nachgeborenen bald kaum etwas mehr, auch nicht von Gottes Eingreifen vor dem Auszug und Gottes Hilfe und Bewahrung auf dem Weg durch die Wüste.

 

Wo das Erzählen verstummt, Erinnerungen verloren gehen, verliert die nächste Generation die Worte, bleibt so manches Gefühl, so manche Angst und manche Freude unerklärt und damit unverstanden. Im Erzählen ordnen die einen ein, was sie erlebt haben, und die Kinder verstehen, woher sie kommen, was ihr Leben prägt, können sich diese oder jene Grenze und den Schmerz erklären, den sie in ihrem Herzen spüren und der doch älter ist als sie selbst, und können die Kraft erfahren, die sie stark macht und die sich aus einem Erleben speist, das weiter ist als ihre eigene Biographie.

 

Im Volk Israel geschah nach vielen Jahren der Wanderung etwas, das für die Alten unfassbar war: Die Zeit in Ägypten bekam einen sanft leuchtenden Überzug. „So schlimm war es doch gar nicht!“ „Es gab doch auch Gutes!“ „Warum sind wir eigentlich da weggegangen?“ „Wären wir doch wieder in Ägypten!“

 

In diesen Tagen ist es siebenundzwanzig Jahre her, dass die Mauer fiel. Ein Neubeginn, der die Menschen in Deutschland und weit darüber hinaus begeistert und berührt hat. Hoffnung zog ein und die Herzen waren weit. Die gewonnene Freiheit beflügelte und die neue Gemeinschaft ermutigte. Vollmundige Versprechen verhießen „blühende Landschaften“ und die Menschen genossen die neuen Freiheiten. Nun konnten sie reisen, wohin sie wollten. Nun konnten die Kinder etwas lernen, wofür sie sich wirklich interessierten. Eigeninitiative war gefragt und Phantasie für die Zukunft und ein langer Atem für die Veränderungen und das Schwierige, das nun kam. Man krempelte die Ärmel hoch, erlebte so manche Enttäuschung und Entzauberung und gestaltete die Zukunft, so gut es eben ging. Und das Vergangene? Besser, man redet nicht darüber! Die einen schweigen, weil die Erinnerung weh tut und es besser scheint, Schmerzliches zu vergessen, die anderen, weil der Alltag so viel Kraft kostet, dass keine Zeit bleibt, die Vergangenheit hervorzukramen, wieder andere schweigen aus Scham, weil es weh tut, eigene Schuld anzusehen. Natürlich gibt es inzwischen viele Bücher, Berichte, Filme, in denen die Geschichte der DDR Thema ist. Im Alltag ist das kaum angekommen. Die Kinder und Jugendlichen wissen wenig über diesen Teil der Geschichte ihrer Eltern und Großeltern. Die Zeit der DDR bekommt oft einen Zuckerguss: „So schlimm war es doch gar nicht!“ „Es gab doch auch Gutes!“ „Alle hatten Arbeit und jeder wusste, wo sein Platz ist!“ Die Geschichten von Unterdrückung und Ausgrenzung, von Bespitzelung und Unfreiheit im Denken und Reden werden nicht erzählt.

 

Mich, im Westen aufgewachsen und nun seit fast zwanzig Jahren in der Lausitz als Pfarrerin arbeitend, beschäftigt das. Ich erlebe, wie gerade im Blick auf die Kirche und den christlichen Glauben Widerstände und Ablehnung weiter lebendig sind. Frage ich nach den Hintergründen, gibt es ausweichende Antworten oder angstvolles Schweigen. Warum eigentlich?

 

 

Irmgard und Hans Dietzel sind beide über achtzig Jahre alt. Als junge Leute haben sie in der damals noch jungen DDR Lehramt studiert und haben dann bis zu ihrer Rente in diesem Beruf gearbeitet. Sie waren und sind beide Christen.

 

„Wie war das“, frage ich Irmgard Dietzel, „Chemielehrerin und Christin zu sein?“

 

 

Ja, dann sind wir in die Schule gekommen … Waren alles hochmotiviert, waren wir, für diesen Staat auch. Wir durften studieren, waren ja Arbeiter- Bauern-Kinder. Und wir wollten was Gutes aufbauen, für alle etwas Gutes.

 

Das einzige, was uns nicht behagte, aber wir wussten ja nicht, was das bedeutet, das war, dass man sagte: „Ja, Glauben ist ja Quatsch!“

 

Dann kam eine neue Generation und die haben uns dann regelrecht denunziert. Und dann saß bei uns jede Woche dann der Parteisekretär aus Luckau … und andere … auch das Kollegium, die dann gesagt haben, also „Wir verstehen euch doch überhaupt gar nicht. Ihr seid doch naturwissenschaftliche Lehrer. Und jetzt ist doch der Sputnik da oben. Da ist doch nicht!“ Und lauter solche Sachen.

 

Und wir sind trotzdem in die Kirche gegangen.

 

Wir waren eben gebrandmarkt. Im Dorf waren wir anerkannt. Und wir haben heute noch Beziehungen zu gerade diesen Schülern, die auch heute tief gläubig sind und sagen, sie haben es eigentlich von uns.

 

 

Irmgard und Hans Dietzel, haben sich über die Zeit der DDR ihren Glauben und ihre innere Freiheit bewahrt.

 

„Was sollten die jungen Leute heute wissen?“ frage ich sie. „Woran sollen sich die Menschen erinnern?“

 

 

Dass jeder sein gutes Leben führen konnte. Habe meine Wohnung, die Lebensmittel sind billig, und so weiter und so fort.

 

Aber die Eigeninitiative, die etwas ganz Wichtiges ist für das Fortkommen einer Gesellschaft, die ist ja durch diese Planwirtschaft und diese Anordnungen völlig verloren gegangen. Da haben die Leute gar nicht mitbekommen in dem Sinne, dass also, sobald jemand Ideen entwickelt hat, Eigeninitiative entwickelt hat, dass die sofort in einen Rahmen gesetzt wurde, in eine Zensur gesetzt wurde, dass man dann sagte: Das geht nicht.

 

Immer das Stutzen der Freiheit, immer das Stutzen der Eigeninitiative. Ja, das ist das, was die Leute in vielen Fällen überhaupt nicht wahrgenommen haben. Und deshalb ist alles andere, was man wirklich als gut ansehen kann … alles war nivelliert, alles war gleichgemacht. Privatinitiative nur erlaubt, solange es im Rahmen der gesteckten Pläne war. Das ist das, was diesen Staat letztlich kaputt gemacht hat.

 

Und viele Leute haben das nicht gesehen, haben nur das Gute gesehen.

 

 

Was würde Hans Dietzel heute jungen Leuten gerne mit auf den Weg geben? Und welches Fazit zieht er aus dem, was er in der DDR erlebt hat?

 

 

Ja, sie sollten wissen, dass Freiheit ein sehr wertvolles Gut ist. Und Freiheit wird ja vorausgesetzt, wenn man ein selbstbestimmtes Leben führen will. Und das will ja eigentlich fast jeder. Dann ist Freiheit die Voraussetzung dafür.

 

Freiheit zu der Zeit war nicht so einfach zu bekommen.

 

Entweder man passte sich an und hatte dafür ein etwas bequemeres und weniger freies Leben. Oder man passte sich nicht an und hatte dafür ein etwas freieres aber unbequemes Leben.

 

Ja, ich finde, manchmal wird mit dem Begriff Freiheit heute zu lax umgegangen.

 

Man sollte schon aufpassen, dass man den Begriff Freiheit nicht zu sehr strapaziert und dass der doch vernünftig erhalten bleibt, um dann wirklich auch das, was man will: selbstbestimmtes Leben daraus ableiten zu können.

 

 

Antje Kruse-Michel ist seit zwei Jahrzehnten Pfarrerin in Hoyerswerda-Neustadt, einer Plattenbausiedlung, die als sozialistische Musterstadt zur DDR-Zeit hochgezogen wurde. Eine Kirche war da nicht vorgesehen. So traf sich die Gemeinde in der ehemaligen Friedhofskapelle, die heute – um einen Neubau erweitert – das Martin-Luther-King-Haus ist. Wir treffen uns im Gottesdienstraum.

 

 

Wie das war, in der DDR christliche Schülerin zu sein, frage ich. Die Pfarrerin holt ein Stück weiter aus und erzählt eine Geschichte, die ich von Gemeindemitgliedern ihrer Generation schon viele Male gehört habe und die zeigt: Es hatte Methode, den christlichen Glauben zu verunglimpfen und zurückzudrängen.

 

 

Meine Schwester kam eines Tages nach Hause von der Schule. Sie war, glaube ich in der fünften Klasse. Ja, weinte und war ganz am Boden zerstört und erzählte, die Klassenlehrerin hätte freundlichst gefragt, wer denn zur Christenlehre ginge und wer von den Schülern der Klasse in die Kirche geht, die sollen doch mal aufstehen. Und dann stand sie mit einem anderen Kind auf und dann sagte die Lehrerin: „So, und jetzt darf die ganze Klasse mal lachen, denn die Christen, die glauben nur und wissen nichts!“

 

Man war ja auch als Schülerin, Schüler den Lehrern ausgeliefert. Na ja, das braucht wohl doch einige Zeit an Ermutigung, ja, um damit umzugehen.

 

Also, ich hab andere Dinge erfahren. Ich bin als christliche Schülerin von einem Russischlehrer, der auch der Parteisekretär der Schule war, gemobbt worden.

 

Dieser Lehrer trieb es gar so weit mit seiner Diskriminierung, das ich eines Tages im Pionierzimmer eingeschlossen wurde und nun wirklich auch Namen und Inhalte von Jugendgruppen, -sachen wiedergeben sollte, die mich da richtig erpresst haben – waren vier Erwachsene und ich als Schülerin. Und ich hab‘ gesagt: „Ich mach das nicht!“ – mich da festgehalten haben, in der Pause wurde ich beklaut. Als ich dann endlich entlassen wurde aus dem Pionierzimmer, viel zu spät zum Unterricht kam, waren meine besten Sachen aus der Mappe weg.

 

 

Ich bewundere ihren Mut und die Kraft, die Antje Kruse-Michel als Jugendliche hatte. Was diese Erfahrung heute für sie bedeutet, möchte ich gerne von ihr wissen.

 

 

Es war ganz viel Mut dabei, manchmal Wagemut, aber auch Mut, sich zu bekennen. Und das trage ich bis heute in mir. Christlicher Glaube hat für mich ganz stark mit Bekenntnischarakter zu tun. Und Konfirmation ist für mich heute hauptsächlich Bekenntnis, zu Gott und Christus und seiner Kirche. Es hat mich im Nachhinein stark gemacht. In der Situation des Ausgeliefertseins war es ganz schrecklich.

 

 

Und die Mitschüler? Wie sind die damit umgegangen?

 

 

Das war schon so ’n Widerstand, so ’n ganz kleiner. Ich glaub, dass das meinen Mitschülern, ja auch Angst gemacht hat. Sie wollten da nicht selber im Focus stehen. Ich hoffe nicht, dass sie zu Duckmäusern dadurch geworden sind.

 

Wenn so ’n Klima herrscht, erzeugt durch Lehrkräfte, dann ist ja scheinbar alles offen und möglich. Und es haben einigen meiner Mitschüler der Klasse damals, ich glaube in der neunten oder zehnten Klasse unsere evangelische Kirche geschändet, sind nachts in der Kirche gestellt worden, als sie die Orgelpfeifen rausrissen, als sie den Altar besudelt haben, dass sie den Taufstein besudelt haben und so weiter. Da war der Sohn der Pionierleiterin dabei und andere. Denen ist nichts passiert. Und wenn so ein Klima herrscht und da(s) auch nicht strafrechtlich verfolgt wurde, ist da ein offener Raum, der vieles ermöglicht, an Bösem auch.

 

 

Erzählen ist heilsam. Es hilft Menschen, Familien, ganzen Gesellschaften ihre Geschichte zu verstehen und im Verstehen Gefühle, Unbewusstes, Tradiertes neu einzuordnen. Wo Geschichte verschwiegen, nicht erzählt, vergraben wird, weil das Erinnern weh tut, aus Scham oder aus falsch verstandener Rücksichtnahme, da verstehen die kommenden Generationen nicht mehr, warum sie das eine oder andere empfinden, warum diese oder jene Meinung ihr Denken beherrscht, warum sie so und nicht anders handeln.

 

 

Wo die Menschen verstummen, so wie ich das in meinem Umfeld oft erlebe, gewinnt die Geschichte und vor allem das Unrecht der Vergangenheit eine Macht, die Böses möglich macht und weiterträgt und die gerade Kindern auch einen unbefangenen Umgang mit dem, was ihnen begegnet, verbaut.

 

Im Blick auf den christlichen Glauben hat sich die Ablehnung bei vielen zu einer familiären Tradition verfestigt. Das zeigen soziologische Studien zur Religionslosigkeit in Ostdeutschland. „Nicht religiös“ zu sein ist weithin zu einem ostdeutschen Identitätsmerkmal geworden.

 

Pfarrerin Kruse-Michel erzählt, wie sie das erlebt:

 

 

Also ich leb ja hier in der ehemaligen zweiten sozialistischen Stadt der DDR, wo Kirche auch nicht gewollt war und erkämpft werden musste. Ich spüre hier sehr stark die Ressentiments gegen Glaube, gegen Kirche. Das zieht sich durch und wir haben jetzt immer noch die Spätfolgen bei den Siebzig- und Über-Siebzig-Jährigen, die ja durch vierzig Jahre verordneten Atheismus geprägt worden waren. Und jetzt können wir mit den Kindern wieder unbeschwert anfangen. Aber ich erleb‘ immer noch – bei Kirchenführungen von Ethikklassen – dass mir Kinder sagen: „Du, ich würd‘ hier so gerne in die Kirche kommen, aber meine Mutti erlaubt es mir nicht!“ Und das ist doch sehr bezeichnend für unsere Geschichte.

 

 

Was sie den jungen Leuten, mit denen wir zu tun haben, gerne sagen und erzählen möchte, frage ich Pfarrerin Kruse-Michel zum Schluss. Und was bewahrt werden soll, damit sie die Geschichte besser verstehen.

 

 

Was sollte nicht verloren gehen?

 

Ich möchte auch meinen Konfirmanden und den Schülern im Religionsunterricht sagen, dass sie immer genau – egal welches Gesellschaftssystem wir erleben mögen – genau prüfen sollen, was gut und was böse ist. Sie sollen wirklich kritisch Dinge hinterfragen, die uns gesagt werden, sie sollen wagen Gott zu vertrauen, weil es sich lohnt, auch gegen eine Mehrheit, ja, da auch zu seinem Christsein stehen. Und für mich heißt Christsein eben auch immer ein Bekenntnis vielleicht gegen den Zeitgeist oder gegen eine Mehrheit durchzustehen und darin kann man wirklich auch in der Tiefe, ja, Gott erleben. Das ist auch ne wichtige Erfahrung, die möchte ich gern weitererzählen, dass ich auch im Anderssein meinen Überzeugungen, meinem Gottvertrauen treu bleiben kann und auch durch Anfechtungen vielleicht gerade mehr zu Gott komme.

 

 

Das Volk Israel zog aus Ägypten aus.

 

Bis heute erinnern sich Juden in jedem Jahr an den Auszug aus Ägypten und daran, wie ihre Vorfahren Gewalt und Unterdrückung auf einem langen Marsch hinter sich gelassen haben. Erinnern heißt Vergegenwärtigen. Juden erinnern sich am Passahfest.

 

Es beginnt mit dem Sederabend. Alles was zu diesem Festessen aufgetischt wird, hat einen Bezug zu der Leidenszeit in Ägypten. Salzwasser und bittere Kräuter erinnern zum Beispiel an die bitteren Tränen, die damals vergossen wurden.

 

Und das jüngste Kind aus der Familie stellt die Frage: "Warum unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?" Der Vater antwortet darauf mit der alten Erzählung von der Errettung der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten.

 

Wie wäre das, stelle ich mir vor, wir würden den 3. Oktober auch als Gelegenheit dazu nutzen, persönlich über die Geschichte zu sprechen, über das Gute und das Schwierige, und so im Erzählen die Vergangenheit neu sehen und verstehen? Wie wäre das, wenn dabei Wunden heilen und die nächste Generation die Geschichte und mit ihr die Gegenwart neu versteht und eine eigene innere Freiheit gewinnt? Heilsames Erzählen – für die, die erleben, wie andere mitfühlen und wie sie ihre Erfahrung neu einordnen können, für die, die neu verstehen, was ihnen Eltern und Großeltern an Bewusstem und Unbewusstem mit ins Leben gegeben haben.

 

Unser Auszug war die friedliche Revolution 1989, für viele ein Wunder der Geschichte, Gottes Geschenk. Was wir daraus als Einzelne, als Familien, als Gesellschaft lernen, das erschließt sich nur dann, wenn wir von dem erzählen, was davor und danach geschehen ist, was Menschen erlebt haben. Ich wünsche mir, dass diese Geschichte des Mutes auch in Zukunft trägt und dass wir die Hoffnungen und das Gottvertrauen bewahren, von denen sie zeugt.

04.07.2016
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh