Bob Dylan

Gedanken zur Woche
Bob Dylan
21.10.2016 - 06:35
21.10.2016
Pfarrer Jörg Machel

Blowin' in the Wind

 

Der Nobelpreis für Literatur ging in diesem Jahr an Bob Dylan. Viele haben die Entscheidung bejubelt, einige haben moniert, dass der Literaturpreis einem Popsänger verliehen wurde.

 

Über den Dichter und Sänger Bob Dylan erfährt man recht wenig in den Kommentaren. Aber das ist ja vielleicht auch gar nicht nötig, denn anders als bei den meisten Nobelpreisträgern, bei denen erst nachdem der Name bekannt gegeben wurde der große Run auf die Buchläden einsetzte, musste man letzte Woche nur eine CD aus seinem Regal nehmen oder die Suchfunktion auf seinem Smartphone betätigen und schon hatte man die vertraute Stimme im Ohr.

 

Doch jetzt hörte man noch einmal ganz anders hin. Nun achtete man auf die Dichtung. Nicht auf die Gitarre, nicht auf die Mundharmonika, nicht auf den leicht näselnden Gesang. Und vielen wird dabei bewusst werden, dass sie seit Jahren mit Textzeilen aus seinem Werk leben.

 

Bob Dylan ist nicht auf den Begriff Popsänger zu reduzieren. Er ist ein großer Poet. Er ist Zeitzeuge und Interpret seiner Epoche. So wie Günter Grass mit der „Blechtrommel“ der Nachkriegsgeneration half, sich selbst und die zurückliegenden Jahre zu verstehen, so gab Bob Dylan seiner Generation Worte und Bilder, um sich zu verorten.

 

Sein erster Welterfolg war „Blowin' in the Wind“, in Erinnerung geblieben sind seine großen Auftritte gegen den Vietnamkrieg. So sehr seine Texte den Zeitgeist der sechziger Jahre gespiegelt und dadurch auch geprägt haben, so zeitlos sind viele seiner Verse.

 

Zunehmend bestimmen auch religiöse Motive sein lyrisches Schaffen. Mehr als jeder Nobelpreisträger vor ihm hat sein literarisches Werk die Menschen erreicht und das gerade durch die Kopplung von Text und Musik.

 

Der nachvollziehbaren Sorge, Songtexte hätten ein zu absehbares Verfallsdatum, um einen solchen Preis zu rechtfertigen, möchte ich mit dem Verweis auf den Liederdichter Paul Gerhardt begegnen. Auch Paul Gerhardt lebte in unruhigen Zeiten und wurde zum Kronzeugen einer Epoche. Mit seinem Werk reagierte Paul Gerhardt auf die Wirren des dreißigjährigen Krieges. Lieder wie „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ oder „Befiehl du deine Wege“ sind heute so populär wie vor drei Jahrhunderten.

 

Menschen leben mit Liedtexten und memorieren sie in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Bei Bob Dylan wird es meist die englische Version der Texte sein, die einem im Gedächtnis ist, doch auch die Übersetzung lässt noch ahnen, dass hier ein ganz großer Sprachkünstler ausgezeichnet wurde:

 

„Wer nicht damit beschäftigt ist, geboren zu werden, ist damit beschäftigt zu sterben.“ oder „Wenn du nichts hast, hast du nichts zu verlieren. – When you got nothing, you got nothing to lose.“

 

Spiegel Online zählt unter der Überschrift: „Eine Zeile wie eine schallende Ohrfeige“ die zehn wichtigsten Sentenzen aus dem Werk des Nobelpreisträgers auf und versucht sich an einer Deutung: „Dylan, das ist eine Chiffre. Ganze Generationen haben in Bob Dylans Stimme hineininterpretiert, dass sie zu ihnen sprechen würde, dabei sprach der Sänger stets zu sich selbst. Aber: Indem er zu sich selbst sprach, sprach er zu uns. Selbst wenn er nichts mit uns zu tun haben wollte. Angeblich.“

 

Eine Textzeile, welche einen durch die Tiefen oder über die Höhen des Lebens trägt, ist immer einen Austausch wert. Wenn Sie mit mir reden wollen, dann können Sie mich anrufen. Bis acht Uhr erreichen Sie mich unter der Telefonnummer 030 325 321 344. Noch einmal 030 für Berlin und dann 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter: „deutschlandradio.evangelisch“.

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