Bilder von Jesus

Morgenandacht
Bilder von Jesus
20.10.2016 - 06:35
20.10.2016
Pfarrer Jörg Machel

Es stellt immer eine Anmaßung dar, eine Biografie Jesu zu schreiben. Die Evangelien haben es aus gutem Grund nicht getan, sie sind Bekenntnisschriften mit biografischen Verweisen, mehr nicht.  Doch nun versuchen wir genau aus diesem lückenhaften Material das Leben Jesu zu rekonstruieren.

 

Weil das aber letztlich nicht möglich ist, erscheinen immer wieder neue Jesusbücher, die die Lücken neu und anders füllen, und ein Ende dieser Buchproduktion ist nicht abzusehen.

 

Eugen Drewermann geht einen anderen Weg. Er schreibt keine weitere Biografie, um seinen Lesern das Leben Jesu näher zu bringen, er nähert sich dem Leben Jesu über die Bildwerke großer Meister. Er bleibt mit dieser Methode relativ nahe am Konzept der Evangelien. Er vermeidet den Anschein von Objektivität.

 

Eugen Drewermann liest die Bibel und schaut auf die Bilder und so taucht er ein in das Leben Jesu. Er fragt selbstkritisch: „Darf man von Christus Bilder fertigen, entgegen dem ausdrücklichen Verbot des Dekalogs (Ex 20,4)?“ Und er merkt an: „Darauf antworten die griechischen Theologen, dass diese Bilder gar nicht von Menschenhand gemacht, sondern den Malern vom Himmel geschenkt worden seien.“

 

Diese Aussage passt zu Eugen Drewermanns theologischem Denken. Danach offenbart sich die Wahrheit der Religion nicht nur in den biblischen Büchern, sondern auch in Träumen, in Märchen und eben auch in Kunstwerken wie zum Beispiel in Bildern.

 

Der Vorteil der Bilder ist ihre Tiefenwirkung, sie sind vielschichtig und vieldeutig. Sie erzählen die äußere Geschichte, die den Bibellesern meist bekannt ist, und sie interpretieren mit Farben und Formen, mit Bildzitaten und Hintergründen. Sie lassen Personen und Szenen in den Vordergrund rücken und setzen so ganz eigene Akzente.

 

Es liegt auf der Hand, dass es keine eindeutige Wahrheit eines Gemäldes gibt und so steckt in jeder seiner Bildbetrachtungen die Einladung selbst zu schauen und selbst zu entdecken, wo die Botschaft der Jesusgeschichte zu finden ist.

 

Drewermann beschränkt sich in seinen Bildbetrachtungen nicht nur auf die christliche Ikonografie, er bespricht Bilder aus allen Epochen der Kunstgeschichte und so kann ihm auch ein Bild von Otto Dix, in welchem dieser die Schrecken des Krieges vor Flandern darstellt, zu einer Darstellung des Karfreitagsgeschehens werden.

 

Manchmal wählt er einen kleinen Bildausschnitt, um in der Betrachtung einer schwer überschaubaren Szene Halt und Ziel zu geben. Geht man zurück zum Gesamtbild, sieht manches in neuem anderen Licht. Die unterschiedlichen Epochen, in denen die Bilder gemalt wurden, die verschiedenen Malstile, in denen das Leben Jesu interpretiert wurde, die ganz unterschiedlichen Glaubenswelten, denen die Künstler entstammen, garantieren, dass in der Summe ein sehr vielgestaltiges Jesusbild entsteht.

 

Diese Vorgehensweise widersteht jeder ideologischen Engführung. Immer wieder werden neue innere Bilder aufgerufen, die zwischen der Reproduktion, dem Begleittext und dem lesenden Betrachter hin und herwandern.

 

Um die Auferstehungshoffnung in ein Bild zu fassen, verweist Drewermann auf ein Mumienprortrait aus dem alten Ägypten, das Bildnis einer makellosen jungen Frau zeigt und illustriert so das Bibelwort: „Denn die Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, so dass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können.“

 

Auch ich bin ich leidenschaftlicher Kunstbetrachter und so gibt es vor meinem inneren Auge eine ganz eigene Bilderbibel und die ist für meine Vorstellung von Jesus so wichtig wie die Bücher, die ich über ihn gelesen habe.

20.10.2016
Pfarrer Jörg Machel