Der wahre Jakob

Morgenandacht
Der wahre Jakob
25.07.2017 - 06:35
24.07.2017
Pfarrerin Silke Niemeyer

Albert Einstein schrieb: „Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist.“ Von Quantenmechanik habe ich keine Ahnung, aber heute (am 25. Juli) ist Jakobstag. Grund, dem wahren Jakob auf die Spur zu kommen...

 

Jakob, die Kurzform für Jakobus, war einer der Jünger, die Jesus am nächsten standen. Er war der erste von ihnen, der dafür hingerichtet wurde. Eine Legende besagt, er habe auch in Spanien gepredigt und sei in Santiago de Compostela begraben. Allerdings behaupteten auch andere Kirchen, seine Ruhestätte zu beherbergen. Das aber ist „nicht der wahre Jakob“. Darauf pocht man jedenfalls in Santiago. Denn wer die Gebeine eines echten Apostels sein Eigen nennt, der hat einen gehörigen Standortvorteil. Ob das historisch stimmt, ist sehr fraglich, aber Wahrheit ist nicht immer eine Sache der Tatsachen, sondern der wirkmächtigen Erzählung. Santiago setzte sich mit seiner Legende durch. Und so sagen heutzutage Millionen Menschen „Ich bin dann mal weg“ und pilgern auf dem Jakobsweg zu seinem Grab.

 

Von wirkmächtigen Geschichten über Jakob gibt es zahlreiche, und mit ihnen wurde handfeste Geschichte gemacht. Im Krieg gegen die Mauren um die Rückeroberung Spaniens soll Jakob auf dem Pferd vorangestürmt sein und den König zum Sieg geführt haben. Dafür verlieh man Jakob den martialischen Ehrentitel „Maurentöter“.

 

Ein Heißsporn ist er auch in der biblischen Überlieferung. Nicht umsonst gab Jesus Jakobus und seinem Bruder Johannes den Spitznamen „Donnersöhne“. Allerdings trieb er den beiden das hitzköpfige Voranstürmen aus. Als sie in einem Dorf keine Unterkunft finden, schlagen die Brüder im Ernst vor: „Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ Donnerwetter! Man schmunzelt über so viel unbekümmerte Großmäuligkeit und liest weiter: Da wandte Jesus sich um und wies sie zurecht. (Lukas 9, 54f) Das tut er noch öfter, denn dies ist nicht der einzige grandiose und grandios peinliche Vorschlag, mit dem Jakobus und Johannes zu Jesus kommen. Ein anderes Mal nehmen sie ihren Meister zur Seite und wollen sich die künftigen Ministerposten sichern: „Lass in deinem Königreich den einen von uns rechts und den anderen links von dir sitzen.“ Sie glauben tatsächlich, dass Jesus demnächst als König in Israel thronen wird. „Ihr wisst nicht, was ihr da verlangt.“, antwortet Jesus ihnen geduldig, und meint damit, dass ihnen nicht der Triumph, sondern der Tod blüht. Dann ruft er alle Jünger zusammen und erklärt ihnen eindringlich: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“ (Mk 10, 35ff; Mt 20,20 ff)

 

Es war ein weiter Weg für Jakobus zu begreifen, was einen wirklich groß macht: nicht das große Maul, nicht das hohe Ross und nicht der großartige Ruf wie Donnerhall. Größe zeigt sich in den Kleinigkeiten, in der Schwäche. Da, wo man gefragt ist sich und dem anderen treu zu bleiben. Jakobs Pilgerweg zum wahren Jakob ging dabei durch bitteres Versagen. In dem Moment, als Jesus ihn tatsächlich bat, an seiner Seite zu sein, da schlief er ein. Das war nicht, als Jesus triumphierte; das war im Garten Gethsemane, wo Jesus weinend hinfiel und um Verschonung vor den Henkern betete. Hier hätte Jakob Größe zeigen können. Doch er schlief ein, drei Mal. (Mt 26, 36ff)

 

Es ist eine Posse jener Mächtigen, die ihre Völker unterdrücken und ihre Macht missbrauchen, dass sie diesen Mann auf ein Kriegsross hoben und „Maurentod“ nannten.

Er hatte es bei Jesus anders gelernt: besiegt hatte Jakob seinen Wunsch zu siegen. Er ist Jesus am Ende treu geblieben, auch wenn er zwischendurch versagte, und er ist für seinen Glauben an ihn hingerichtet worden.

Das ist der wahre Jakob.

24.07.2017
Pfarrerin Silke Niemeyer