Ehre deine Propheten

Morgenandacht
Ehre deine Propheten
16.10.2017 - 06:35
12.10.2017
Ulrike Greim

Was sich Gott manchmal dabei denkt. Es gibt Menschen, die fallen einfach aus den gängigen Kategorien. Selbst wenn man eigentlich meint: Das ist doch einer von uns, einer aus dem Stall. Aber dann gibt es da einen Charakterzug, bei dem man merkt: Da ist er irgendwie anders. Irgendwie ziemlich quer. Und dann redet man und argumentiert und es wird nur schlimmer.

 

Mein Kollege ist so einer. Dem möchte ich ständig sagen: Hey, lehn dich zurück, atme mal durch. Es ist alles ok. Aber nein, er muss mit dem Kopf durch die Wand. Halbe ökologische Kriterien gibt es für ihn nicht. Du lebst bewusst oder kannst dich beerdigen. Heizung an UND Fenster auf ist eine Sünde vor dem Herrn. Kaffeesahnedöschen sind ein himmelschreiender Frevel. Kaffeekapselautomaten – die Hölle. Und wozu man überhaupt noch Autos braucht ...?!

Ihm ist so vieles ein Rätsel. Für uns Kollegen ist es hoch anregend. Weil: Er hat ja recht. Absolut recht. Wir wissen es alle. Und leben es – naja vielleicht gerade einmal so halb, wenn es hoch kommt.

 

Wir würden gerne im Einklang mit der Umwelt leben, weil wir das auch romantisch fänden, aber es fehlt eben jede Konsequenz. Und das regt ihn auf. Und wenn man ihn nur ein bisschen lässt, dann kommt er richtig in Fahrt. Bei so ziemlich jedem politischen Thema.

 

Als er einmal in Jordanien war und die Zeltlager dort gesehen hat, ist er innerlich in die Knie gegangen. Als er wieder hier war, hatte er größte Mühe, in seine normale Arbeit zu kommen. Weil es dort in Jordanien brennt. Weil unsere Werte dort verschmoren. Weil dort auch jetzt im Herbst und dann im Winter wie in den Jahren vorher auch schon, die Kinder in Sandalen laufen werden und in dünnen Trainingshosen, weil sie nichts anderes haben. Weil die Eltern keine Chance haben zu verdienen, und weil sie nicht zurück nach Syrien können, und weil sich die Hilfsorganisationen langsam zurückziehen. So einer wie mein Kollege könnte daran verrückt werden. Und wir lieben ihn dafür.

 

Andere rollen mit den Augen. Nicht der schon wieder. Der schreit immer so. Und sein Klima-Tick – den darf er gerne woanders ausleben. Kann er gerne in seiner Freizeit machen, aber bitte uns nicht damit behelligen.

 

Einhegen, gefügig machen, einpassen lassen sich solche Typen nicht. Man kann sie mit einer Beamtenpension versuchen anzubinden. Aber dann werden sie krank. Allerdings können auch sie nicht anders, weil Frau und Kinder ernährt werden müssen. Aber Propheten muss man eigentlich ziehen lassen. Sie müssen predigen. Das ist ihre Aufgabe. Sie müssen taufen zur Buße. Sie müssen erleiden, wie sie um ihrer Botschaft willen heftig abgelehnt werden, weil sie nun einmal gefährlich sind.

 

Das ist heute so. Das war noch nie anders.

Am Jordan steht er, der Prophet Johannes. In einem Lendenschurz aus Kamelhaar – der Täufer, wie sie ihn nennen. Die Leute kommen zu ihm in die Wüste. Sie denken, vielleicht ist er der Messias. Johannes steht vor ihnen: wild und ungekämmt. Er ernährt sich von dem, was er findet: Heuschrecken und Honig aus der freien Natur.

 

Er sagt: Kehrt um. Denn das Himmelreich ist nahe. Er steigt in den Jordan, die Menschen kommen zu ihm und lassen sich taufen.

Die Besserwisser kommen auch, um zu schauen. Mit verschränkten Armen. Da poltert er sie an: „Ihr Ottergezücht, ihr Schlangenbrut. Die Axt ist bereits an eure Wurzeln gelegt. Der Baum, der keine Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“

 

Zu ihm in den Jordan steigt auch der Messias. Johannes erkennt ihn. Hat ja auf ihn gewartet. Er tauft ihn.

 

Herodes, der Herrscher, ist mächtig, aber feige. Er lässt den Propheten überwachen, um mitzukriegen, ob nicht Johannes selbst der Messias ist. Herodes ist zu sattfaul, um das selbst zu erkennen. Als auch er, der Herrscher, von Johannes angegriffen wird in seinem Lebensstil – er hatte seine Schwägerin geheiratet – wird er schwach. Er lässt sich von seiner neuen Frau gern und trickreich überreden, Johannes auf dem silbernen Tablett zu opfern. Sie will seinen Kopf. Und den bekommt sie auch.

 

Propheten haben wenig Aussicht auf ein nettes Leben. Reihenhaus und Gärtchen, bis ins hohe Alter Kegeln im Verein – das ist ihnen in der Regel nicht beschieden. Sie sind unbequem. Weil sie weiter sehen.

 

Sie ebnen dem Sohn Gottes den Weg.

Man kann sie auf dem Silbertablett der eigenen Bequemlichkeit opfern. Aber wer erkennt dann den Gottessohn?

Ehren wir also unsere Propheten.

12.10.2017
Ulrike Greim