Gott ist keine Blackbox

Morgenandacht
Gott ist keine Blackbox
23.02.2017 - 06:35
22.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem

Für viele Menschen ist ‚Gott‘ eine Art Blackbox, auf Deutsch: ein schwarzer Kasten, von dem man nicht so genau weiß, was er beinhaltet. ‚Blackbox‘ ist ein technischer Begriff, aber auch die Psychologie benutzt ihn für ein komplexes System, dessen innere Struktur unbekannt ist, verborgen und unsichtbar.

 

Trotzdem hat die ‚Blackbox‘ einen Zugang, auch wenn man nicht weiß, wie sie funktioniert. Entscheidend ist nur, dass sie funktioniert. Um ein ganz alltägliches Beispiel zu nennen: Ich habe keine Ahnung, wie ein Fahrscheinautomat im öffentlichen Nahverkehr funktioniert, aber ich gebe Geld hinein und heraus kommt mein Fahrschein. Natürlich hinkt der Vergleich, weil ich ja mit etwas technischem Knowhow wissen könnte, wie der Automat funktioniert. Aber manchmal habe ich den Eindruck, wenn Menschen von Gott sprechen, dann sollte Gott wie so ein Fahrscheinautomat sein: oben gebe ich was hinein, äußere meine Wünsche und Bedürfnisse, und unten kommt das Ticket heraus, mit dem ich die Erfüllung meiner Erwartungen erreichen kann. Und wenn der Automat nicht so funktioniert, wie man es erwartet, schlägt man mit der Faust dagegen oder tritt mit den Füßen nach, als könne man ihn auf nachdrückliche Weise dazu bringen, einem das zu geben, was man möchte.

 

Mit etwas theologischen Knowhow lässt sich Gott jedoch im wahrsten Sinne des Wortes begreifen. In der Bibel schreibt der Apostel Paulus einmal: Gott ist der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden. Wörtlich steht im Griechischen da: von dem alles im Himmel und auf Erden seinen Namen hat. Gott ist der, der jedem Wesen das Persönlichste und Intimste gegeben hat, was jemand besitzt, nämlich: seinen Namen. Der Name eines jeden Menschen kann also nicht gesagt werden ohne den Zusatz ‚Du bist aus Gott‘ oder ‚Von Gott her kommst du‘. Auch wenn der Name eines Menschen ihm von seinen Eltern gegeben worden ist, in einem tieferen Sinn ist es Gott, der uns bei unserem Namen anspricht.

 

Ob ich Julia oder Georg, Martin oder Anna, Achmed oder Rahel heiße – immer wird von mir zu sagen sein: Julia, die aus Gott ist. Georg, der seinen Ursprung in Gott hat. Achmed, der aus Gott entsprungen ist. Rahel, die ihren Namen von Gott her hat. Alle unsere Eltern hat Gott so gemacht, dass sie uns auf die Welt bringen konnten. Von Gott her bin ich. Und falls meine Umwelt aufgehört hat, mich zu lieben, dann will ich daran denken: Gott will, dass ich bin. Ein Gedanke Gottes bin ich, ins Leben gebracht, Fleisch gewordene Liebe Gottes. Ich kann nicht von mir selbst sprechen, meint also der Apostel Paulus, ohne dass nicht Gott inbegriffen ist. Gott wollte nicht nur irgendwann einmal, dass ich bin, sondern ich bin tagtäglich der Inbegriff seines Wirkens: Er will, dass es mich gibt. Einfacher gesagt: wenn ich meinen Namen ausspreche, ist Gott immer inbegriffen. Der Glaube bringt mich dazu, Neues zu denken. Und das gehört dazu: Gott und mich zusammenzudenken, ohne Gott zu vereinnahmen.

 

Es kann geschehen, dass ich diesen Glauben an Gott vergesse oder schon lange verloren habe. Die Bibel öffnet deshalb ein Denk-Fenster und führt vor Augen: Deine Quelle, dein Ursprung ist aus Gott. So verstehe ich die Vaterschaft Gottes.

 

Glaube ich, dann ist Gott kein anonymer Gott, kein unbekanntes Etwas überm Sternenzelt. Mein Gott zieht nicht im Hintergrund der Welt an unsichtbaren Fäden. Gott ist auch keine Blackbox, kein verborgenes System und keine anonyme Macht. Und erst recht kein Fahrscheinautomat, der Wünsche befriedigt. Er lässt sich in seiner Schöpfung und mit seiner Liebe erkennen – im Nächsten, im Geringsten meiner Nächsten und nicht zuletzt in mir selbst.

 

Gottes Macht wirkt jeden Tag auch in mir, dass ich bin, und seine Macht will Leben ermöglichen, behüten und bewahren. Der Glaube lässt mich das neu denken: Mein Ursprung ist aus Gott. Und für jedes andere Wesen gilt das auch.

22.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem