Prüfungsangst

Morgenandacht
Prüfungsangst
26.06.2017 - 06:35
26.06.2017
Pfarrer Stephan Krebs

Mit dem Montag kehren auch die Aufgaben zurück. Und mit ihnen die Sorge sie nicht zu schaffen. Viele Menschen haben Angst davor zu versagen. Ich kenne das auch. Besonders bei Bewerbungsgesprächen oder Prüfungen aller Art – ein Greul. Woher kommt das? Hat Prüfungsangst etwas mit dem Glauben zu tun?

 

Für die Prüfungsangst gab es bei mir zwei Gründe. Erstens habe ich mir eigentlich selbst nicht zugetraut das zu schaffen. Viel wichtiger ist aber der zweite Grund: Ich musste Erfolg haben! Ich durfte keinesfalls scheitern, weil ich mir das so in den Kopf gesetzt hatte. Da war kein Platz für Alternativen. Und auch kein Platz für die Idee, dass es außerhalb von mir eine gestaltende Kraft gibt. Manche sagen: das Schicksal. Ich sagte: Gott. Und deshalb war meine Prüfungsangst auch eine Glaubensschwäche.

 

Inzwischen bin ich etwas weiser, frommer und damit auch stärker geworden. Vor einer Prüfung oder einer ähnlichen Situation sage ich mir: Was ich da vorhabe, das will ich erreichen. Aber was daraus wird, das weiß ich nicht. Vielleicht habe ich Erfolg. Aber damit ist ja noch keinesfalls sicher, dass daraus auch wirklich etwas Gutes wird.

 

Dasselbe gilt auch, wenn ich scheitere. Klar, dann bin ich erst einmal enttäuscht. Aber es kann gut sein, dass ich nach einer Weile zurückschaue und dann heilfroh bin, dass es so gekommen ist.

 

So erging es Bundespräsident Walter Steinmeier. Vor einigen Tagen besuchte er Gießen, wo er studiert hatte. Dabei erzählte er, dass er sich vor 30 Jahren vergeblich auf eine Stelle im hessischen Umweltministerium beworben hatte. Heute sei er sehr froh, dass er damals nicht genommen wurde.

 

Dafür gibt es einen weisen Spruch. Der lautet: „Leben ist das, was dir geschieht, während du mit deinen Plänen beschäftigt ist.“ Der Volksmund sagt dazu kurz: Der Mensch denkt, Gott lenkt.

 

So ist das: Niemand hat sein Leben vollständig im Griff. Trotz aller Anstrengungen. Denn es gibt noch andere Mächte. Manche nennen es Schicksal. Andere wie ich nennen es Gott. Und ob man will oder nicht: Dieser Macht ist man ausgeliefert. Oder, wie ich es formuliere: Man ist gut beraten sich dieser Macht anzuvertrauen.

 

Aber wie soll man zu einer solchen Schicksalsmacht Vertrauen finden? Oft genug erscheint sie unnahbar, fern und dunkel. Und sie agiert unkontrollierbar im eigenen Leben herum.

 

Für das Vertrauen auf Gott sehe ich zwei gute Gründe:

Erstens: Gott ist nicht unnahbar. Sein Wesen ist Liebe. Das hat er öffentlich sichtbar gemacht. Dafür steht Jesus Christus ein. In ihm hat sich Gott, diese scheinbar so ferne Schicksalsmacht, menschlich gezeigt und sogar angreifbar gemacht. In Jesus Christus lebt Gott seine Liebe, sie gilt jedem und in jeder Lebenslage.

 

Der zweite Grund ist schlicht Erfahrung. Wie gesagt. Inzwischen bin ich ein wenig weiser, frommer und stärker geworden. Denn ich habe erlebt, dass Gott oft bessere Ideen für mein Leben hat als ich selbst. Das habe ich zwar längst nicht immer gleich eingesehen. Aber irgendwann, manchmal Jahre später, habe ich den Sinn verstanden. Oft war ich dann sogar heilfroh, dass es so gekommen ist.

 

Aber ich will nicht verschweigen: Es gibt Ereignisse, in denen ich auch nach Jahren und beim besten Willen keinen Sinn erkennen kann. Insofern bleibt Gott doch eine Schicksalsmacht, die unverfügbar und geheimnisvoll ist. Aber das muss sie ja auch sein, denn sonst wäre sie doch wieder nur ein berechenbarer Faktor in meinen eigenen Plänen. Und das ist sie eben nicht.

 

Inzwischen komme ich mit meiner Prüfungsangst ganz gut zurecht. Vor einer solchen Situation mache ich mir klar, was ich erreichen will. Das versuche ich dann auch mit aller Kraft. Aber zugleich lasse ich Gottes Wirken Raum. Das entlastet mich. Denn damit verabschiede ich mich davon, alles nur aus eigener Kraft stemmen zu müssen. Man wird freier, wenn man einfach sein Bestes gibt und alles weitere Gott überlassen kann.

 

Das ist eine Übung in Sachen Glauben und Selbstbegrenzung. Früher nannte man sie Demut. Heute vielleicht besser: Hingabe oder gläubige Gelassenheit.

26.06.2017
Pfarrer Stephan Krebs