Selbstgespräche sind keine Herzensgespräche

Morgenandacht
Selbstgespräche sind keine Herzensgespräche
21.02.2017 - 06:35
20.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem

Der Streit, welche der Religionen als einzige die richtige Wahrheit besitzt, hat in der Geschichte Krieg und maßloses Leid hervorgebracht, bis in die Gegenwart hinein. Und wenn heute islamistische Terroristen Anschläge verüben, deutsche Bürger Brandsätze werfen und Menschen hetzen mit der Begründung, das christliche Abendland retten zu wollen, dann ist es auf den ersten Blick wenig glaubwürdig zu behaupten, dass Religion nichts mit Gewalt zu tun hat. Gewalt beginnt mir Intoleranz, sie richtet sich nach dem eigenen, meist sehr egoistischen Weltbild.

 

Und Religion entwirft ebenso ein Weltbild. Auch unsere abendländische, christliche Religion. Auch hier gibt es die Gläubigen, die selbst immer schon besser als andere wissen, was genau und von allen zu glauben ist. Sie sind fest davon überzeugt, dass nur sie die Worte der Bibel absolut richtig verstanden haben, und sie lassen keine andere Deutung zu. Wenn jemand einen Film über solche Glaubensegoisten drehen würde, und diese sich selbst von außen dabei anschauen und zuhören könnten – ob sie die gewaltige und gewaltbereite Intoleranz erkennen würden, die von ihrer vermeintlich allein gültigen Auslegung ausgeht? Ich befürchte: nein. Ein Mensch kann sich furchtbar verirren in seinen Antworten auf die Frage, was Gott von ihm will.

 

Es hat ja Gründe, dass es Kreuzrittern damals, Islamisten und Fanatikern heute möglich ist, die Religion zu missbrauchen für ihre eigenen Interessen. Jede Religion, von der ihre Gläubigen behaupten, dass sie die allen anderen überlegene Religion sei, lädt dazu ein, sich missbrauchen zu lassen. Dann werden aus Gebeten schnell Gefechte, aus Andacht und Gesang werden Aufmärsche und Gewalt. Und doch sind es einzelne Fanatiker, die damit mächtig werden wollen, die die Religion benutzen, während sich die Mehrheit ohnmächtig und ausgeliefert fühlt.

 

Als Christ macht es mich traurig, wenn Glaubensgeschwister davon überzeugt sind, dass der liebe Gott auch ihrer Meinung sei. Allzu oft drehen sie sich dabei nur um sich selbst, sogar in ihren Gebeten. Allzu oft geht es um die Bestätigung ihrer eigenen Vorstellungen. Ihre Wünsche sollen erfüllt werden. An Gott glauben, damit er mir meine Wünsche erfüllt – so habe ich als Kind geglaubt. Zwischen Gott und meinen Eltern war da auch kaum ein Unterschied: solange sie mir meine Wünsche erfüllten, liebte ich Gott genauso wie ich auch sie liebte.

 

Für ein Kind ist so ein Glaubensegoismus in Ordnung. Wer als Erwachsener aber wieder zu diesem kindlichen Glauben zurückkehren will, ist nicht mehr kindlich, sondern kindisch. Sogar gefährlich kindisch. Wer Gott für seinen Wunscherfüller zum eigenen Vorteil hält, fällt zurück in einen Egoismus, der mit Glauben nichts zu tun hat. Da werden dann Gebete zu narzisstischen Selbstgesprächen. Ein erwachsen gewordener Glaube kennt dagegen den Segen eines Herzensgesprächs.

 

Die Mystikerin Theresa von Ávila hat einmal gesagt: Beten ist Herzensgespräch mit Gott in der Gewissheit, dass er uns liebt. Für mich bedeutet das eben auch, dass ich nicht dauernd selber rede, sondern zuhöre. Weil Gott mit mir redet in meinem Herzen. In der Bibel beginnt ein Beter sein Herzensgespräch mit den Worten: Ich will nun hören, was der Herr, mein Gott, in mir spricht (Ps. 85,9).

 

Selig die Seele, die den Herrn in ihrem Herzen reden hört, schreibt Thomas von Kempen, ein anderer Mystiker, in seinem Büchlein „Die Nachfolge Christi“. Ja wahrhaftig selig sind die Ohren, die nicht horchen auf die Stimme, die von außen erschallt, sondern auf die Wahrheit, die inwendig [im Menschen] lehret.

 

Mit seinem Herzen im Gespräch sein ist etwas anderes als ein Selbstgespräch zu führen. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn jeder in seiner eigenen Religion aus dem Selbstgespräch heraus in ein Gespräch mit Gott in seinem Herzen käme. Das merke dir meine Seele, schreibt Thomas von Kempen, (…) damit du hören kannst, was der Herr dein Gott in dir redet.

20.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem