Welttierschutztag

Morgenandacht
Welttierschutztag
04.10.2016 - 06:35
03.10.2016
Pfarrerin Silke Niemeyer

Heute ist Welttierschutztag. Ich hatte das Glück, in einer ländlichen Welt aufzuwachsen, in der Tiere selbstverständlich zum Leben gehörten. Es gab in dieser Welt Oskar, den zahmen Kater. Der war mein Lieblingstier, und ich vergoss heiße Tränen, als er überfahren wurde. Zu meinen Lieblingstieren gehörten aber auch die leckeren Brathähnchen, die es öfter gab. Ich erinnere mich, wie das Federvieh noch über den Hof flatterte, nachdem mein Opa es mit der Axt einen Kopf kürzer gemacht hatte. Da waren tote Vögel, die mein Freund Reiner und ich feierlich mit Blumen und selbstgebasteltem Kreuz beerdigten. Da war auch Möhrchen, der Hund der Nachbarn, mit dem ich einträchtig in seiner Hütte saß. Und da waren die Flöhe, die meine Mutter danach erschlug.

 

Tiere wurden geliebt, und sie wurden getötet, um sie wurde getrauert, und sie wurden gebraten, alles mit derselben Selbstverständlichkeit. Tiere gehörten vor allem nach draußen oder in den Stall, jedenfalls nicht ins Haus.

 

Ich will diese Zeit nicht romantisieren. Die kleinen Bauern in der Nachbarschaft konnten nicht mehr von ihren Tieren leben und darum bald auch nicht mehr mit ihnen. Sie schlachteten oder verkauften ihre Kühe und Schweine. Die Katzen und Hunde wurden Mitbewohner im Wohnzimmer.

 

Tiere sind entweder zu Kuscheltieren geworden oder zu Fabrikprodukten. Der beste Schutz für Tiere ist jedoch, wenn sie beides nicht sein müssen. Wer sie schützen möchte, lässt sie sein, was sie sind: Tiere und keine Menschen.

 

Kommen Tiere in den Himmel, wird gern gefragt. Das war keine Frage für die biblischen Autoren. Aber vor allem ist es keine Frage, die ein Tier sich stellt: Komme ich in den Himmel? Tiere haben keinen Gott, höchstens ein Herrchen. Sie betteln nicht um Vergebung der Sünden, höchstens um ein paar Streicheleinheiten. Sie wollen nicht in den Himmel kommen, weil ihnen die Erde genug ist. Der Wunsch, dass Tiere in den Himmel kommen, ist ein menschlicher Wunsch und rührt aus der menschlichen Liebe zu einem Tier. Überhaupt: jede Tierethik ist vom Standpunkt des Menschen aus formuliert. Das ist nicht an sich schlecht. Vom Standpunkt des Menschen aus spricht alles dafür Tiere zu schützen. Schon in der Bibel gibt es Schutzgesetze, z.B. dies: „Du sollst am Sabbat keinerlei Arbeit tun, du (...) und dein Rind und dein Esel und all dein Vieh...“ (5 Mose 5,14). Dies ist ein Gesetz zum Schutz von Mensch und Tier. Beides gehört zusammen. Beide werden hier vor pausenloser Arbeit geschützt. Das ist ein Ausbeutungsverhinderungsgebot.

 

Mensch und Tier werden aber immer mehr zu Rohstoffen und Mittel zum Zweck – Mittel zum Zweck Geld zu verdienen, am besten rund um die Uhr, ob das ihr Körper ist, ihre Gene, ihre Gesundheit, ihre Nahrung. Lässt sich daran etwas verdienen? Das ist zur leitenden Frage geworden. Ich spreche nicht dagegen, dass Bauern, Bäcker, Ärzte Geld verdienen müssen. Ich spreche dagegen, dass Mensch und Tier immer mehr zu Material werden für die globale Reichtumsvermehrungsmaschine. Dem Bauern macht es ja keinen Spaß sich zu verschulden, um seinen Hof in eine Viehfabrik zu verwandeln. Landwirte moralisch zu verdammen, ist darum zu einfach. Der Weg zu einem humanen Wirtschaften ist komplizierter. Aber darum geht es. Menschen- und Tierwohl gehören zusammen.

 

Dennoch: es gibt keine ungetrübte Harmonie zwischen Mensch und Tier. Menschen haben ein unbedingtes Lebensrecht, Tiere nicht. Diese Ehrlichkeit ist nötig. Wer seinen Hund liebt, schluckt bei diesem Satz vielleicht. Aber er wird die Zecke, die sich in ihm festgebissen hat, ohne schlechtes Gewissen zerquetschen. Tierethik ist Ethik vom Standpunkt des Menschen, nicht der Zecke. „Macht sie euch untertan“ dies ist ein missbrauchter Bibelvers. Er meint diesen Vorrang des menschlichen Lebensrechts. Er meint gerade nicht, dass man sich Tiere skrupellos und uneingeschränkt zunutze machen darf. Sie sollen gehegt und gepflegt werden, man ist für sie verantwortlich. Aber man darf Pferde reiten und Hunde an die Leine nehmen. Man darf Tiere auch essen. Aber man muss es nicht, wenn man darauf verzichten kann.

03.10.2016
Pfarrerin Silke Niemeyer