„Du hast nichts drauf“

Spurensuche
„Du hast nichts drauf“
03.02.2018 - 10:00
22.03.2018
Ralph Frieling
Über die Sendung

Jeder hat es schon einmal getan: Witze über andere Personen gemacht und auf ihre Kosten Lacher eingeheimst. Gut, wenn einen anschließend wenigstens ein schlechtes Gewissen beschleicht. Denn wer will schon selber von anderen so behandelt werden? Ralph Frieling über einen Satz Jesu.

 

Pizza Margherita

Neulich im Restaurant saß ein junger Mann am Nebentisch und amüsierte sich mit seinen Freunden. Er fiel mir auf wegen seines dunkelblauen Sweatshirts, darauf unübersehbar der weiß gedruckte Spruch: „Du bist wie eine Pizza Margherita, du hast nichts drauf!“ Daneben war ein stilisiertes Pizzastückchen ohne Belag aufgedruckt. Diesen Spruch kannte ich noch nicht. Ich musste lächeln und guckte auf meinen Teller, zum Glück waren wir beim Inder.

Später, auf dem Nach-Hause-Weg, ging mir der Satz weiter durch den Kopf und ich musste an einen anderen jungen Mann, einen Studenten, denken, der einmal bei mir auf dem Besuchersofa saß. „Wissen Sie“, sagte er, „meine Eltern haben mich nie für voll genommen. Der größte Witz in ihrem Leben, das bin ich.“ Und dann erzählte er, dass sie dutzende von Anekdoten über ihn parat hatten und sie auch allen erzählten, heute noch. Wie er als Kind im Garten mal in den Goldfischteich fiel und sie ihn zum Glück rausfischen konnten. Wie er, allein auf einer Reise in Kanada, mal sein Geld verlor und sie ihm von Deutschland aus welches schicken durften, und dass er sich ja zum Glück nicht in den kanadischen Wäldern verlaufen hatte. All solche Sachen, die nicht wirklich lustig sind. Und dann sagte der Student: „Bei meinen Eltern komme ich mir vor wie der letzte Idiot. Und dann nörgeln sie, dass ich sie nicht mehr besuche.“

„Du bist wie eine Pizza Margherita, du hast nichts drauf“. Den Spruch selbst hatte der junge Mann von seinen Eltern zwar nicht gehört. Aber die Botschaft dahinter, die hatte er mit vollem Ernst auf`s Brot geschmiert bekommen: Du genügst nicht.

 

Richtet nicht

Jesus sagte in der Bergpredigt: „Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.“ (Matthäus 7,1)  Oder salopper ausgedrückt: „Macht niemanden runter, so werdet ihr auch nicht runter gemacht“. Diese umgangssprachliche Wendung kommt dem griechischen Text der Bibel noch näher als das „richten“. Denn darum geht es ja meistens beim Richten in unserem Alltagsleben: nicht um eine sorgfältige Abwägung der Taten und Motive und Interessen, die sich jeder in eigener Sache vor Gericht wünschen würde. Sondern um ein schnelles Aburteilen. Oder eben um einen schnellen Gag auf Kosten anderer. Wer solche Kränkungen in Witze verpackt, will sich doch nur selbst für ein paar Lacher hervortun und ins Licht setzen. Oft kann er oder sie auch nicht über sich selbst lachen.

Jesus sagt: „Richtet nicht“, und: „Du siehst den Splitter im Auge deines Gegenübers. Bemerkst du nicht den Balken in deinem eigenen Auge?“ (Matthäus 7,3) Splitter und Balken: Was für eine maßlose Übertreibung, Jesus führt diesen Vergleich nicht ohne Augenzwinkern ins Feld. Du siehst die Fehler beim anderen und bist komplett blind dafür, wie unfair und lächerlich du selber eigentlich bist.

„Du bist wie eine Pizza Margherita, du hast nichts drauf!“ Das ist ein lustiger Spruch, so lange ich ihn auch auf mich selbst beziehen kann. Wenn es aber nur beim zynischen Spott über die anderen bleibt, ist die Einstellung armselig.

Gelungene Kommunikation sieht anders aus. Ein anderer Spruch, den ich einmal aufschnappte, bringt es auf den Punkt: Dialog geschieht in einem offenen Wort mit ehrlichem Gesicht. Kann ich dem anderen klar in die Augen sehen?

Eigentlich ist das auch so ein Spruch für ein Sweatshirt.

22.03.2018
Ralph Frieling