Mein Name ist Samer

Wort zum Tage
Mein Name ist Samer
26.10.2016 - 06:23
25.10.2016
Pfarrer Rainer Stuhlmann

„Mein Name ist Samer“. Das ist ein gefährlicher Satz. So lerne ich von Samer.

Einmal im Jahr findet eine Art Messe für junge Hochschulabsolventen in Israel statt. Renommierte Firmen haben ihre Stände in einer Messehalle aufgebaut. Diesmal sind sie nicht auf Kunden für ihre Produkte aus, sondern auf junge Wissenschaftler, die sie für Führungspositionen gewinnen wollen. „Headhunters“, „Kopfjäger“ nennen sie sich.

Nach seinem Hochschulabschluss am Technion in Haifa hat auch Samer eine solche Messe besucht. Mit seinen gepflegten Umgangsformen und exzellenten Zeugnissen war er ein begehrter Gesprächspartner. Aber regelmäßig wurden die Gespräche abgebrochen, wenn sein Name fiel. Samer ist nämlich ein arabischer Name. Er verrät, dass Samer nicht nur Israeli, sondern auch ein Palästinenser ist. Einer von ca. 2 Millionen, nahezu einem Viertel der Bevölkerung Israels, die keine Juden sind. Sie sind Bürger zweiter Klasse, die auf vielfältige Weise benachteiligt sind. Natürlich gibt es Palästinenser in der Firma, aber doch bitte nicht in Führungspositionen. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Es half ihm nicht, dass er fehler- und akzentfrei Hebräisch spricht. Er ist einer von den anderen.

Inzwischen hat Samer sich mit zwei jüdischen Freunden zu einer erfolgreichen Startergemeinschaft zusammen getan. Diese Juden wissen seine  Qualifikation zu schätzen. Sie interessiert es nicht, dass Samer Araber, Christ und Palästinenser ist. Sie akquirieren das Kapital, das kein jüdischer Israeli  einem Palästinenser anvertrauen würde. Und er bringt seine Fachkenntnisse in das gemeinsame Unternehmen ein.

Samers Geschichte erinnert mich an Lydia. Sie konnte vor fünfzig Jahren in London kein Zimmer unter ihrem Namen Greenberg mieten, der sie als Jüdin verriet. Als sie nach Israel auswanderte, brauchte sie zwanzig Jahre um zu entdecken, dass in Israel viele Juden das tun, worunter sie in den europäischen Mehrheitsgesellschaften gelitten haben. Das machte sie zu einer leidenschaftlichen Kämpferin für die Rechte der Palästinenser. Wie gut! Ich wünschte, es gäbe heute mehr von dieser Sorte Mensch. Viele Lydias, die ihrer Wüstenerfahrungen gedenken, um Gegenwart und Zukunft der anderen zu verbessern.

Von Gott heißt es in der die Bibel, dass er genau das tut: dass er sich des Vergangenen erinnert, um Gegenwart und Zukunft zu bessern.  So spricht der HERR:  „Ich gedenke der Treue deiner Jugend und der Liebe deiner Brautzeit, wie du mir folgtest in der Wüste, im Lande, da man nicht sät.“       (Jeremia 2,2)

25.10.2016
Pfarrer Rainer Stuhlmann