Schadenfreude? Ja!

Wort zum Tage
Schadenfreude? Ja!
10.05.2017 - 06:20
07.05.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann

Als vor Jahren die Bundeskanzlerin angesichts des Todes von Osama Bin Laden gelacht hat, war fast die ganze Nation empört. Schadenfreude gehört sich nicht.

 

Ich fand das Lachen der Kanzlerin damals in Ordnung. Schadenfreude ist nicht gleich Schadenfreude. Wenn das Unglück den Verbrecher, den Tyrannen, den Diktator ereilt, dann darf die Welt lachen. Ein befreiendes Lachen, das mindestens für einen Moment den Täter hintan stellt und ganz bei den Opfern ist.

 

Ganz anders ist die Freude über den Schaden der kleinen Leute, der Verachteten und Benachteiligten. Diese seichte Comedy mit eingespielten Lachern, mit faden Scherzen über all jene, über die eh schon oft gelacht wird, weil sie anders sind als die anderen. Ich kann diese langweiligen Frauen-, Schwulen-, Schwarzen-, Behinderten-, Ausländer-, Juden-Witze schon lange nicht mehr hören!

 

Im politischen Witz aber, im spitzen Cartoon und anspruchsvollen Kabarett ist Lachen die Waffe des Geistes der Machtlosen, der Regierten gegen die Macht der Regierenden. Diese Freude ist die Waffe derer, die an der Seite der Opfer stehen – oder gar selbst Opfer sind. Je schlimmer die Lage, desto besser die Witze. Lachen, das die Mächtigen entwaffnet. Schadenfreude, die dann nicht nur erlaubt, sondern geboten ist.

 

Im Himmel jedenfalls wird gelacht. Und es ist glasklar, wer ausgelacht wird. Gott, der im Himmel sitzt, lacht über den Wichtigtuer, wenn er zu Fall kommt, und der im Himmel thront, freut sich über den Tyrannen, wenn er stürzt. (Psalm 2,4). Der Schöpfer ist parteilich. Er ist Anwalt seiner gequälten Geschöpfe gegen die, die sie quälen. Wer den Armen verspottet, verhöhnt dessen Schöpfer; und wer sich über sein Unglück freut, wird nicht ungestraft bleiben, heißt es in der Weisheit der Bibel (Sprüche 17,5).

 

Das machen auch die Ostergeschichten deutlich. Die römischen Soldaten, die den Juden Jesus gekreuzigt haben, sind am Ostermorgen „wie tot“. Buchstäblich lahm gelegt, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden können. Und das Opfer des Unrechts ist aufgerichtet, ist rehabilitiert. An dem einen ist ein Exempel der Gerechtigkeit statuiert.

 

So wird Jesus zum Anwalt aller Opfer von Gewalt – an allen Orten und zu allen Zeiten. Und er ruft die, die ihm folgen, zu solchen Anwältinnen und Anwälten. Er möchte, dass seine Kirche eine Widerstandsbewegung wird. Gegen Unrecht und Gewalt. Für Gerechtigkeit und Frieden. Und da darf an den richtigen Stellen auch gelacht werden. Auch über sich selbst. Ein befreites und befreiendes Lachen.

07.05.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann