Das Kreuz mit dem Kreuz

Das Kreuz mit dem Kreuz
Pastoralreferentin Lissy Eichert
24.06.2017 - 23:35

Guten Abend aus Berlin.

Wir haben hier ja immer wieder so unser Kreuz mit dem Kreuz: Wenn die Sonne scheint, erstrahlt, weithin sichtbar, ein großes Kreuz über der Stadt. Dann nämlich reflektiert die Kugel des Fernsehturms am Alexanderplatz ihre Strahlen als Lichtkreuz. Walter Ulbricht hatte seinen Turmbau als eine Demonstration des Atheismus verstanden: „Wir kommen auch ohne Gott hoch hinaus.“ Nur die Sonne - die hatte er nicht eingeplant. 

Eine „Charmeoffensive Gottes“? Bis heute erregt das Sonnenkreuz die Gemüter. Die einen nehmen Anstoß. Andere freut’s. Für Christinnen und Christen in der DDR war es ein Lichtblick.

In diesen Wochen wurde wieder um ein Kreuz gestritten: um das Kreuz auf der Kuppel des Berliner Stadtschlosses.

Es ging hin und her: Ist das christliche Kreuz zu belastet, überhaupt  noch zeitgemäß? Warum nicht ein Halbmond oder ein Davidsstern oder gleich alle drei, also Kreuz, Mond und Stern? Die Humanisten schlugen sogar ein Mikroskop als Kuppelkrönung vor. Vielleicht als Symbol für Wissenschaftsgläubigkeit?

Das Kreuz ist ein Zeichen, dem widersprochen wird. Steht schon in der Bibel.

Am Kreuz kommt ja auch keiner vorbei: Trennung, Tod, Arbeitsplatzverlust… Immer wieder werden Lebenspläne durchkreuzt. Als ich Mitte 20 war -lebenshungrig, dynamisch, sportlich - bekam ich die Diagnose, möglicherweise bald nicht mehr laufen zu können.  Ein Schock. Puh, dachte ich, wenn schon die Knochen nicht mehr mitmachen, dann muss eben der Kopf ran. Unter dem Druck der Erkrankung entschloss ich mich, eine Zeitlang ins Ausland zu gehen. Dank eines Stipendiums konnte ich in England studieren. Dieses eine Jahr hat mich ganz besonders geprägt. Noch heute zehre ich von den Erfahrungen.

Manche sagen: „Da hat‘s das Schicksal nochmal gut mit dir gemeint.“ Ich nenne es „Fügung“. Ich traue Gott zu, aus einem „Minus“ ein „Plus“ zu machen. Dass dort, wo mir eine Tür vor der Nase zugeschlagen wird, ein Fenster aufgeht.

 Das Kreuz als Symbol für Ohnmacht und Leid. Wem Schlimmes widerfährt, der  muss "sein Kreuz tragen", sagt man. Kreuze auf Friedhöfen oder an Straßen erinnern an die eigene Endlichkeit: Mitten im Leben - sind wir vom Tod umfangen.

Das christliche Kreuz steht aber vor allem für das Leben. Dafür, dass wir mitten im Tod - vom Leben umfangen sind. Gott erspart es mir nicht, dass Lebensträume zerplatzen. Doch Gott will mich hindurch führen durch das Leid. Damit ich nicht stecken bleibe in Trauer und Angst. Auch nicht im Hass. Das Kreuz markiert die Wandlung vom Tod zum Leben. Jesus Christus ist dafür der Beweis.  

Und wer sich auf diese Wandlung einlässt, kann selbst zum „Plus-Zeichen“ werden. Zu wissen, dass der Tod eben nicht das Ende ist, das setzt ungeahnte Energien frei. Lebensenergien.

Ich denke an den Fernsehturm, wie da hoch oben das Kreuz als ein riesengroßes „Plus“ erstrahlt. Fast so, als hätte Jesus Christus höchst selbst ein Zeichen gesetzt.

 Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.