Das Wort zum Sonntag

Das Wort zum Sonntag
Europa ohne die Briten
25.06.2016 - 23:40
10.12.2015
Elisabeth Rabe-Winnen

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer.

Manche Träume werden wahr. Manche Träume platzen. Einer meiner Träume droht zu platzen. Seit gestern. Der Traum vom geeinten Europa.

Die Briten haben entschieden: Sie gehen. - Brexit!

Ich hatte mit dieser Entscheidung nicht gerechnet.

Obwohl beide Lager in den Umfragen stark waren, bis zuletzt.

Ich hatte gehofft, die Briten entscheiden anders.

Es ist eine historische Entscheidung. Und wird die EU verändern.

Aber: Für mich ist der Traum von Europa nicht ausgeträumt. Und dieser Traum trägt für mich den Namen: „Alle Menschen werden Brüder.“ Worte aus der Europahymne.

Europa driftet auseinander. Krise folgt auf Krise. Jeder bangt um seine Pfründe. Die rechten Ränder in vielen Ländern erstarken. Und wie die Briten denken auch andere über die Frage nach: Die EU verlassen oder bleiben?

Aber ich möchte dem Bangemachen keine größere Rolle einräumen als der Hoffnung.

Ich will den Traum nicht aufgeben - den Traum vom Weltbürgertum und vom Frieden, den Traum: „Alle Menschen werden Brüder.“

Alle Menschen. Davon träumen Menschen schon immer. Davon, dass keine Unterschiede gemacht werden zwischen Mensch und Mensch.

Doch dieser Traum hat Risse. Die sind auch so alt wie die Menschheit selbst. Und sie entstehen da, wo jeder nur an sich denkt. Und Menschen im Anderen nicht mehr den Bruder erkennen. Der atmet und leidet und liebt - wie Du.

Trotz aller Risse: Den Traum der Brüderlichkeit will doch keiner wirklich begraben!

Brüder - sind nicht gleich. Geschwister entwickeln sich oft ganz unterschiedlich. Streiten auch. Und sehen sich manchmal lange nicht. Aber sie bleiben Bruder und Schwester und Bruder. Sie suchen gemeinsame Wege. Auch durch schwere Zeiten. Und halten Unterschiede aus. Weil sie miteinander verbunden sind.

„Alle Menschen werden Brüder.“ Paulus beschreibt diesen uralten Menschentraum in der Bibel so: „Wir alle sind Gottes Kinder. (...) Da ist weder Sklave noch Freier, weder Jude noch Grieche, weder Mann noch Frau.“ Weder Engländer noch Russe, weder Franzose noch Deutscher. Da gibt es nur Mensch und Mensch.

„Alle Menschen werden Brüder.“ Die Europahymne ist für mich jetzt noch wichtiger geworden.

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.

10.12.2015
Elisabeth Rabe-Winnen