Diagnose Tod

Diagnose Tod
Pastor Christian Rommert
18.11.2017 - 23:35
21.12.2016
Christian Rommert

Das Wort zum Sonntag: 18.11.2017

Sprecher: Pastor Christian Rommert, Bochum

Diagnose Tod

 

 

 

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

der November gehört ganz bestimmt nicht zu meinen Lieblingsmonaten. Die Sommermonate, die liebe ich, wenn ich als Pastor Menschen trauen darf. Und ich mag auch die Weihnachtszeit. Aber November? Morgen Volkstrauertag, in einer Woche Ewigkeitssonntag. In unserer Kirche werden dann immer die Namen derjenigen verlesen, die im letzten Jahr gestorben sind. Jedes Jahr im November ist das so. Wir erinnern uns an Vergänglichkeit und Tod. Verdrängen ist nicht möglich.

Verdrängen geht bei mir in diesem Jahr auch aus einem anderen Grund nicht. Ein guter Freund hat vor kurzem die Diagnose erhalten, dass er Krebs hat. Er wird bald sterben, haben die Ärzte ihm gesagt. Für seine Familie und auch für uns, die wir ihn kennen und lieben, ist diese Diagnose ein Schock, obwohl er schon über achtzig ist. Aber wir haben die Tatsache, dass er sterben könnte, einfach ausgeblendet. Wie so viele - verdrängt. Irgendwie ignoriert fast jeder Mensch, den ich kenne, den Gedanken an den Tod. Für mich ist das nun nicht mehr möglich. Wir müssen akzeptieren, was in der Bibel einmal so ausgedrückt wird: “Wir haben hier keine bleibende Stadt, die zukünftige suchen wir.“ Wir können hier nicht ewig bleiben. Wir sind Durchreisende, Gäste. Das ist eine schwer zu ertragende Tatsache. Aber das ist die Realität: 800.000 Menschen sterben in Deutschland pro Jahr. 800.000 Menschen, um die getrauert wird. Eigentlich müsste es jedem klar sein: „Wir haben hier keine bleibende Stadt!“

Seitdem mein Freund seine Diagnose erhalten hat, hat sich etwas verändert. Ich versuche, so oft wie möglich bei ihm vorbeizuschauen, ihn zu besuchen, Zeit mit ihm zu verbringen. Unsere Gespräche sind jetzt anders. Inhaltsreicher, ehrlicher, direkter. Ich genieße die gemeinsame Zeit mit ihm. Wir haben ja nur noch wenig davon. Ob wir beide zusammen beten und ein wenig Trost bei Gott finden? Ja! Denn wir glauben, dass es nach diesem Leben weitergeht, dass wir uns bei Gott wiedersehen. Doch so lange wir uns hier noch haben, so lange wollen wir die Zeit hier auch auskosten.

So bekommen wir beide eine unfreiwillige Lektion erteilt - durch den Tod. Nichts, was ich gerne habe. Er sowieso nicht. Manche glauben, der Tod sei ein guter Ratgeber, der uns hilft, das Leben besser zu verstehen. Das mag sein, aber er ist für mich zu allererst eine bittere Erfahrung. Und auch wenn wir beide als Christen von der Hoffnung leben, dass der Tod nicht das Ende ist. Und auch, wenn wir beide daran glauben, einmal bei Gott sein zu können und uns im Himmel wiederzusehen. Auch wenn das so ist - so lange ich hier auf der Erde bin, will ich die Zeit auskosten und achtsam sein mit den Menschen, die ich liebe. Und wenn ich wieder zuhause bin, werde ich meine Frau etwas fester drücken. Und bei meinem Freund schaue ich morgen wieder vorbei! Und wenn es dann für ihn oder für mich soweit ist, dann wissen wir uns bei Gott gut aufgehoben.

21.12.2016
Christian Rommert