Erholung in Zeiten des Terrors

Erholung in Zeiten des Terrors
Pfarrer Gereon Alter
05.08.2017 - 23:55

Guten Abend, meine Damen und Herren.

 

Es war der Versuch, mich ein wenig zu erholen. Ich war ein paar Tage in der Normandie. Aber was ich auch getan und wo ich hingeschaut habe: Erinnerungen an den Terror. In jeder Kirche der Normandie steht heute ein Bild von Jacques Hamel, dem alten Priester, dem vor genau einem Jahr zwei Schergen des IS die Kehle durchgeschnitten haben. In Fußgängerzonen und auf Marktplätzen immer noch Maschinengewehre  und Sicherheitswesten. Abends im Fernsehen dann die Anschläge von Hamburg und Kabul. Bei Twitter und Facebook endlose Diskussionen darüber ... Dabei wollte ich eigentlich einmal abschalten.

 

Wie geht das: Urlaub und Erholung in Zeiten des Terrors? – Mir scheint das keine nebensächliche Frage zu sein. Denn so wichtig eine funktionierende Terrorabwehr und ein kluger politischer Umgang mit der Situation, so wichtig scheint es mir auch zu sein, gut auf die eigene Seele acht zu geben. Denn auf sie vor allem zielt ja der Terror. Dass ich selbst Opfer eines Anschlags werde, ist ja doch relativ unwahrscheinlich. Dass aber meine Seele Schaden nimmt, dass ich mich fortwährend ängstige, mein Vertrauen in andere Menschen verliere oder mich gar selbst zu Radikalismen hinreißen lasse: die Gefahr ist groß!

 

Wie also Abstand gewinnen und mich erholen? – Manche schaffen es mit Humor. Sie erinnern sich vielleicht noch. Nach dem Anschlag auf der London Bridge vor ein paar Wochen ging ein ziemlich skurriles Bild um die Welt: Während alle panisch auseinander strömen, geht ein Mann ganz ruhig mit einem Bierglas durch die Menge, nur darauf bedacht, keinen Tropfen zu verschütten. „Scheiß auf den Terror, Hauptsache das Bier ist in Sicherheit!“ hieß  es in einem Kommentar dazu. Ganz sicher nicht jedermanns Art von Humor. Und doch weist das Bild auf etwas Wichtiges hin: Humor stärkt unsere Widerstandskraft. Denn er nimmt uns aus dem Geschehen heraus und hilft uns, dem Terror entgegen zu treten. Eine Mutter aus Birmingham hat es so formuliert: „Keiner ignoriert das vergossene Blut. Aber Humor gibt uns die Kraft für diejenigen zu kämpfen, die verletzt und ermordet wurden.“

 

Nun bin ich nicht so sehr mit britischem Humor gesegnet. Was mir während meines Kurzurlaubs in der Normandie geholfen hat, war ein kleines Mädchen. Es war in einer Kirche und wieder stand da ein Bild des Priesters Jacques Hamel. Während die Eltern des Mädchens sich über seine grausame Hinrichtung unterhalten haben, hat das kleine Mädchen daneben – getanzt. Es war faszinierend, das zu beobachten. Das Mädchen hat schon mitbekommen, dass die Eltern über etwas sehr Ernstes sprechen und doch ist es ganz bei sich geblieben und hat getan, was es gerade tun wollte: tanzen.

 

Mitbekommen, was in der Welt geschieht, aber mich nicht davon gefangen nehmen

lassen. Den Schrecken des Terrors wahrnehmen und ernst nehmen, aber ihn nicht Macht über meine Seele gewinnen lassen. Mich gegen jede Art von Radikalismus

stark machen, aber auch die nötige Kraft dafür finden.– Und dann hat das Mädchen noch etwas getan. Es hat eine Kerze entzündet und mit den Eltern ein kurzes Gebet gesprochen.

 

Was auch immer Ihnen Abstand verschafft und Kraft verleiht: Ich wünsche Ihnen von Herzen friedvolle Tage, ob Sie nun Urlaub haben oder nicht.