Stinkefinger im Osterstau

Stinkefinger im Osterstau
Pfarrer i.R. Alfred Buß
24.03.2018 - 23:35
12.01.2018
Alfred Buß

Stinkefinger im Osterstau

 

Dieser Tage kam ich von der Autobahn. Stinksauer.

Eigentlich normaler Kolonnenverkehr vor Ferienbeginn, rechts Laster, Busse, erste Wohnmobile, links die PKW’s in meist zügiger Fahrt. Plötzlich hinter mir aufgeblendete Scheinwerfer. Der Fahrer preschte heran, riss sein Auto nach rechts, überholte mich mit drohendem Stinkefinger, scherte links wieder ein, und verfuhr mit den Vorderleuten genauso.

Drängeln, rechts überholen, links einscheren. Schnell war er meinen Blicken entschwunden. Bis ich ihn wiederentdeckte: Im Stau. Sein Auto an die Leitplanke gedrückt, stand er oben und filmte: Auf der Gegenfahrbahn geschreddertes Blech und verwundete Menschen. Erzwang einen Rückstau, behinderte Rettungskräfte - mit vielen anderen Gaffern.

Stocksauer war ich. Das ging mir nach. Was bringt Menschen in solche Gefühlskälte? Ein Unfall erzeugt doch Mitgefühl, ja, einen Hilfereflex - das Unglück irgendwie zum Guten zu wenden -, statt menschliche Angst und Not noch zu entblößen.

Doch nimmt die Unverfrorenheit zu, nicht nur auf der Autobahn: Rücksichtslos Ellenbogen ausfahren, sich einen Dreck um andere scheren.

Wenig ist zu spüren von unserem jüdisch- christlichen Erbe: Für einander einstehen, ja Nächstenliebe leben. Gern werden heute diese Werte betont, vor allem von Politikern.

Doch wer sich auf sein Christsein beruft, der muss sich auch an Christus orientieren.

Der ging auf Menschen zu, setzte sich mit ihnen an einen Tisch, richtete sie auf, machte sie heil an Leib und Seele.

Gab ihnen Vertrauen in Gottes Ja: Woher du immer kommst, wer immer du bist: Du bist da, um zu leben.

Was aber ist, wenn Menschen dieses Ja nie erfahren, sie ständig auf Ablehnung stoßen und ein Nein ihr Leben begleitet?

Dann landen sie bald in Selbstverachtung und Aggression: Wenn ihr mich schon nicht mögt, sollt ihr mich wenigstens fürchten. Hinten dranhängen lasse ich mich nicht, ganz vorne werde ich sein und es allen zeigen. Mit aufgeblendeten Scheinwerfern. Und euch bloßstellen, wenn ihr in Angst seid und Not.

Klar ist das nicht zu dulden - drängeln, gaffen, filmen, Rettungskräfte behindern, sie gar angreifen – Klare Grenzen müssen gesetzt werden.

Allerdings sind mit den Strafen die Ursachen nicht weg. Jesus ging auf jeden Menschen zu, auch auf die mit Stinkefingern. Holte sie vom Baum ihrer Aggression.

Und in einem Glaubensfremden erkannte er seinen Nächsten - in einem Samariter.

Der hatte einem Verletzten am Wege die Wunden versorgt und ihn auf seinem Esel in eine Herberge gebracht.

Auf einem Esel ritt auch Jesus in Jerusalem ein - nicht mit aufgeblendeten Scheinwerfern - auf dem Lasttier der kleinen Leute. Morgen, an Palmsonntag, erinnern wir uns daran.

Keinen gab Jesus verloren. Auch nicht, als er selber vor Angst fast verging, verhöhnt wurde, verraten, verspottet, gekreuzigt. Da betete er noch: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Einen guten Palmsonntag wünsche ich Ihnen und eine gesegnete Karwoche.

 

12.01.2018
Alfred Buß