Geschichte der Kirche

Geschichte der Kirche

Die Friedenskirche in Handschuhsheim

Die 1910 eingeweihte evangelische Friedenskirche in Heidelberg-Handschuhsheim gehört wohl zu den besonderen protestantischen Kirchenräumen Badens. Sie ist nach dem so genannten „Wiesbadener Programm“ gebaut worden: Taufstein, Altar, Kanzel und Orgel sind dabei in einer Sichtlinie hintereinander angeordnet sind. Der kreuzförmige Grundriss erinnert einerseits an das christliche Grundgeschehen und ermöglicht im liturgischen Vollzug andererseits, dass die Gemeinde sich gegenseitig gut sehen kann. Insbesondere bei Taufen wird dies deutlich erfahrbar, da der Taufstein in der Mitte der Kirche für alle im unteren Kirchenschiff Sitzenden gut sichtbar aufgestellt ist. Inklusive der Emporen bietet die Friedenskirche ca. 1000 Sitzplätze.

Zur knapp 107-jährigen Geschichte des Kirchenraumes gehört, dass er seither zweimal umgebaut wurde. In der Ursprungsgestalt von 1910 ist der Altarbereich deutlich herausgehoben. Der steinerne Altar mit Seitschranken nach links und nach rechts bildet mit der aus gleichem Material gestalteten und über dem Altar angeordneten Kanzel eine Einheit. Hinter dem zentralen Kanzelaltar befinden sich die Sängerempore und die Orgel. Der Taufstein ist abweichend vom Wiesbadener Programm seitlich vom Altar platziert.

Die ursprüngliche Grundordnung des Kirchenraumes wurde 1960 bei der ersten großen Kirchenrenovierung aufgehoben. Entsprechend der liturgischen Tendenzen der späten 50er Jahre werden die Prinzipalstücke Altar und Kanzel neu angeordnet. Der Altar erhält dazu weniger Form eines Opferaltars, sondern erscheint deutlich als Tisch erkennbar. Neben ihn wird die Kanzel gestellt, die damit näher an die Gemeinde heranrückt. Auch die ursprüngliche reichhaltige künstlerische Gestaltung des Kirchenraumes wird entfernt, statt „Sternenhimmel“ wird der innere Bezirk der Kirche farblich herausgehoben. An die Stelle der alten Kanzel tritt 1960 das Orgelpositiv der neuen, größeren Orgel. Die reichhaltigen Kirchenfester bleiben erhalten, aber nun sind alle Bilder – mit Ausnahme der die Kanzel zierenden Evangelistenbilder, im Rücken der Gemeinde. Diese kann sich ganz auf das Geschehen in Wort und Sakrament konzentrieren.

Als Anfang der 2000er Jahre eine neuere Renovierung der Friedenkirche notwendig wurde, rang die Gemeinde lange und intensiv mit der zukünftigen Gestalt der Friedenskirche. Welcher Kirchenraum bewahrt die einerseits entstandene Tradition und ermöglicht gleichzeitig ein zeitgemäßes liturgisches Gemeindeleben.

Die Raumgestaltung der 2012 vollendeten jüngsten Renovierung nimmt das Wiesbadener Programm konsequent wieder auf. Heute bilden Taufstein, Altar, Kanzel und Orgel wieder eine liturgische Achse. Ins Auge springt die Stufenanlage, welche die verschiedenen liturgischen Elemente (Gebet, Sakrament, Verkündigung und Musik) miteinander verbindet und zugleich ermöglicht, dass alle am Gottesdienst beteiligten einen direktere Kommunikation haben.

Die Ordnung des Raumes wird dynamisch. So sind Kanzel und Altar beweglich. Im Kirchenraum wird mit Ausnahme der Emporen auf Bänke verzichtet. Die Altarinsel wird vergrößert. Es entstehen im Kirchenraum Zonen für Begegnung (Kirchencafé) und persönliche Andacht. Diese Dynamisierung des Raumes zeugt von einem Gottesdienstverständnis, dass nicht mehr enggeführt wird auf den Predigtgottesdienst, sondern das die Vielfalt liturgischer Feiern und Formen beinhaltet. Menschen kommen in unterschiedlichen Lebenssituationen und aus vielfältigen biografischen Anlässen zum Gottesdienst und die Gottesdienstlandschaft ist dementsprechend plural. Dem traditionellen Sonntagsgottesdienst treten Familiengottesdienste, Jugendgottesdienste u.a.m. zur Seite.

Zugleich aber brauchen Kirchen in ihrem Inneren Fixpunkte und Ordnung, deren Aufgabe die „elementare Abwehr von Chaos“ (Thomas Erne) ist. Auch der dynamische „heilige Bezirk“ der Friedenskirche kommt ohne ein Mindestmaß an Statik nicht aus. Die Vielfalt der Gottesdienstformen und die Pluralität der Biografien und Situationen braucht eine gemeinsame Verankerung. So findet 2012 das restaurierte Taufbecken von 1910 seinen festen Ort in der Mitte der Gemeinde. Gemeinde versteht sich von der Taufe her und feiert von diesem Taufereignis vergegenwärtigt in der Dynamik des Lebens die Gottesbeziehung. Diese liturgische Vergegenwärtigung ist je neu zu gestalten. Der Kirchenraum wird mit seiner Dynamik und Wandelbarkeit selbst als ein Ort der Verkündigung belebt. Der Raum predigt.

Die Friedenskirche im Jahr 2017 ist ein lebendiger Kirchenraum. Sie ist ganztägig geöffnet und wird von  Menschen zur persönlichen Andacht aufgesucht. Sie ist zudem ein ausgewiesener Konzertort für gehobene Kirchenmusik bis hin zum Jazz. Sie ist vor allem aber ein Ort, an dem die Gemeinde Gottesdienst feiert und sich begegnet.