Alt-katholischer Gottesdienst im Deutschlandfunk

am Sonntag, 01. Mai 2011 um 10.05 Uhr aus der Alt-katholischen Pfarrkirche Sankt Cyprian in Bonn

 

Thema:

Mit Thomas auf der Suche nach tragfähigen Gotteserfahrungen

– Auferstehung für Menschen von heute

 

„Wie können Christen heute, zweitausend Jahre später, an die Auferstehung von den Toten glauben?“, fragt Pfarrerin Henriette Crüwell im alt-katholischen Gottesdienst, den der Deutschlandfunk und die Deutsche Welle am Sonntag, 01. Mai aus der Pfarrkirche Sankt Cyprian in Bonn übertragen. Es habe sich doch seitdem nichts verändert. Es bleibe auch nach Ostern die Erfahrung, dass der Tod stärker ist als der Mensch. Wo die Kirchen zu schnell und leichtfertig darüber hinweggehen, klinge ihr Osterjubel wie ein sanftes Wiegenlied, befürchtet Pfarrerin Henriette Crüwell. „Wenn da nicht von Anfang an der Einspruch des Thomas wäre“, sagt sie. Der Jünger Thomas, so beschreibt es die Bibel, will am Auferstandenen die Wunden des Gekreuzigten sehen – erst dann meint er, könne er an die Auferstehung seines Lehrers Jesus glauben. Thomas, der Zwilling, bringt damit Tod und Leben zusammen. In einer Gesellschaft, in der Tod und Scheitern verdrängt und zur Expertensache von Krankenhäusern und Hospizen werden, sei der Einspruch des Thomas „lebensnot-wendig“, so Pfarrerin Crüwell. Die sonntägliche Eucharistie sei der Erfahrungsraum, wo auch Menschen zweitausend Jahre später zum Glauben an die Auferstehung kommen können, weil sie dort mit ihren Wunden, mit ihren Ängsten und Zweifeln ein Fest des Lebens feiern, in dem erfahrbar wird: Der Tod mag stärker sein als der Mensch, aber die Liebe Gottes überwindet den Tod.

Mit Werken von Jean Berger und Hans-Leo Hassler wird der Gottesdienst musikalisch gestaltet vom Kirchenchor der Gemeinde unter der Leitung von Ansgar Eimann und Sebastian Chmel an der Orgel. Als weitere Liturgen wirken Altbischof Joachim Vobbe und Diakon Stefan Kandels mit.

Die alt-katholische Pfarrkirche Sankt Cyprian liegt an der Adenauerallee in der Nähe des alten Universitätsgebäudes. Sie wurde 1934 erbaut, im letzten Krieg zerstört, aber kurz danach wiederaufgebaut. Es ist ein freundlicher Kirchenraum, der mit seinen bunten und modernen Kirchenfenstern zur gemeinsamen Feier einlädt. Die Gemeinde feiert ihre Gottesdienste im großen Rund um den Altar. Sankt Cyprian ist die alt-katholische Gemeinde in Bonn. Wirklich "alt" sind in der Gemeinde aber nur wenige. Von den 640 Gemeindemitgliedern sind über die Hälfte unter 45.

Wer sind die Alt-Katholiken? Der Name „Alt-Katholiken“ führt in die Irre. Die Alt-Katholiken verstehen sich selbst als katholische Reformkirche, die von Rom unabhängig ist. Sie entstand im Anschluss an das Erste Vatikanische Konzil im Jahr 1870. Hier wurde das Dogma aufgestellt, dass der Papst in Fragen des Glaubens und der Moral unfehlbar entscheiden kann und als oberster Richter und Gesetzgeber der Kirche fungiert. Die katholischen Christen, die diese „Neuerungen“ nicht mittragen wollten, beriefen sich auf den „alten“ Glauben – daher der Name der Kirche: Alt-Katholiken. Sie wurden von der römisch-katholischen Kirche exkommuniziert und gründeten daraufhin eigene Gemeinde und schließlich eine bischöflich-synodal verfasste Kirche. Zu den Grundlagen dieses „alten“ katholischen Glaubens gehören die Siebenzahl der Sakramente, die katholische Liturgie und die Leitung der Kirche durch Bischöfe. Darüber hinaus aber nutzten die Alt-Katholiken die Chance der Unabhängigkeit von der römischen Hierarchie, zahlreiche Reformen durchzuführen: Sie wählen ihre Pfarrer und Bischöfe selbst. Schon der erste Bischof wurde 1873 von Delegierten aller alt-katholischen Gemeinden gewählt und im selben Jahr von einem Bischof der bereits existierenden holländischen alt-katholischen Kirche geweiht. Seit 1878 dürfen die Geistlichen selbst entscheiden, ob sie heiraten wollen oder nicht. Schon ab 1877 wurde mit der Einführung der Muttersprache in die Gottesdienste begonnen. 2006 erschien ein neues Eucharistiebuch mit Texten für alle Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres in moderner deutscher Sprache. Wiederverheiratete Geschiedene bleiben zu allen Sakramenten zugelassen. Die Alt-Katholiken pflegen seit 1985 eucharistische Gastbereitschaft mit den Evangelischen Kirchen in Deutschland, d.h. evangelische Christen sind bei einer alt-katholischen Messfeier zur Kommunion eingeladen und Alt-Katholiken ebenso zum evangelischen Abendmahl. 1989 erhielt die erste Frau in Deutschland die Diakonatsweihe, 1996 empfingen die ersten Frauen die Priesterweihe.

Weitere Informationen: www.sankt-cyprian.de