Geborgenheit - ein Sehnsuchtsort

Evangelischer Rundfunkgottesdienst
Geborgenheit - ein Sehnsuchtsort
Rundfunkgottesdienst aus der Evang. Christuskirche Neunkirchen (Saar)
24.12.2019 - 17:05
29.08.2019
Britt Goedeking
Über die Sendung

Unter diesem Titel steht die evangelische Christvesper, die der Deutschlandfunk am Heiligen Abend ab 17:05 in einer Übernahme vom Saarländischen Rundfunk aus der Christuskirche in Neunkirchen Saar überträgt. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht die Frage nach Heimat und Geborgenheit. Wo können wir Menschen sie erfahren? Was steht uns dabei unter Umständen im Weg und was kann die weihnachtliche Botschaft von der Menschwerdung Gottes im Stall von Bethlehem dazu beitragen, uns Heimat und Geborgenheit finden zu lassen?

Die Predigt in dieser Christvesper hält Pfarrerin Britt Goedeking. Sie gestaltet die Liturgie gemeinsam mit Pfarrer i.R. Wolfgang Struß sowie der Evangelischen Kantorei Neunkirchen unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Helmut Werz. Er spielt auch die Orgel sowie das Piano. Sophie Gafurow spielt Saxophon.

 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

Das Licht dieser Nacht umfange Euch mit der Liebe Gottes und das Licht seiner Gnade finde Raum in Euren Herzen! AMEN

 

Liebe Gemeinde,

ankommen in dieser Nacht der Nächte ist gar nicht so einfach: alle Anstrengung fallen lassen und ankommen bei meiner ganz eigenen Sehnsucht, ankommen auch bei der Verbundenheit mit denen, die sich – wie ich – fürchten, keinen Frieden zu finden, keinen Ort, der Geborgenheit schenkt. Voller Sehnsucht suche ich meinen Platz, an dem ich ohne mich mächtig zu machen etwas zähle, ohne Wichtigkeit willkommen bin.

 „Wissen Sie Frau Pfarrer, mein Sohn kann ja nicht zu Besuch kommen, der ist bei seinem Unternehmen einer der führenden Köpfe.“, sagt die Frau im Krankenbett bei meinem Besuch, „und mit meiner Schwester brauche ich nicht zu rechnen, wir haben uns zerstritten, als der Vater starb. Ich möchte mich am liebsten in der Stille verkriechen, habe gar keine rechte Lust auf Weihnachten. Wenn man innerlich keine Ruhe findet, dann fehlt der Zauber von diesem Fest, finden Sie nicht?“ Ich gebe der Frau recht und dann sitzen wir da und es wird still- das Fürchte Dich nicht der Engel an die Hirten würde ich ihr so gern sagen. Während ich nachdenke und mit ihr aus dem Fenster ins Dunkel schaue, spüre ich plötzlich ihre Hand nach der meinen tasten und ich fasse sie: „genau, wenn das kein Weihnachtszeichen ist!“ sage ich lächelnd und sie wird doch ein wenig ruhiger.

Ankommen in dieser Nacht der Nächte ist eben nicht einfach. Da helfen die stimmungsvollen Beschallungen oder die noch so beschaulichen Weihnachtsmärkte mir nicht viel. Aber die Nachbarin aus meiner Straße, ein paar Häuser weiter, sie zeigt mir was davon: immer stellt sie ein großes Windlicht in die Dämmerung des Heiligen Abend, weil sie davon gelesen hat, wie nach dem Krieg die Menschen mit Fensterlichtern ihren Söhnen, Männern und Vätern den Weg ins Zuhause weisen wollten. Sie hat diesen Wunsch sehr tief in sich: Frieden und Geborgenheit sind für sie das, was Weihnachten allen stiften will. „Sollen sie doch bis zu mir kommen, die, die kein Zuhause haben. Ich bin doch da und ich mache gern auf,“ so erklärt sie mir lachend. Ihre hoffnungsvolle Vorfreude auf einen vielleicht unerwarteten Gast ist richtig ansteckend. „Fürchtet Euch nicht!“ rufen auch uns in dieser Nacht der Nächte die Engel zu:

Die Angst, die Angst vergeht, die Nacht, die Nacht ist um, die Bosheit bringt sich selber um, das Gottesreich wird kommen.

 

Du Gott komm!

Brich hervor aus der Sehnsucht mit Deinem Heil und dem Licht, das alles Kleine und Unscheinbare zum Leuchten bringt! Du Gott komm!

 

Bleib nicht allmächtig fern, sondern lass Dich spüren ganz nah, nah an unseren Herzen, die so oft im Zweifel frieren und im Zaudern stecken bleiben! Du Gott komm!

Werde wahr, du tiefer Friede, der klares Licht bringt in unsere Zeit, die nach Frieden schreit und genug hat von Hass und Gewalt. Licht der Liebe, du Gott komm!

 

Komm und bleib, dass Platz sei bei Dir für alle, die Geborgenheit ersehnen. Bleib da im Dunkel dieser Nacht mit der Hoffnungskraft des kleinen Kindes. Lass unsere Herzen furchtlos werden an der Seite des Krippenkindes. Du, Gott komm!

 

Komm, Gott, komm mit uns an in dieser Nacht, die uns in Liebe birgt, damit wir aufbrechen können und mutig leben lernen, immer wieder neu im Licht Deiner Liebe – geben ohne Angst, Zweifeln ohne Sorge, irgendwo verlorenzugehen unter den Rädern von Karriere oder Alltagssorgen. Du Gott komm! AMEN

 

Schon 600 Jahre vor der Geburt Jesu suchten die Menschen das ermutigende Licht Gottes inmitten von falschen Versprechen machthungriger Despoten. Sie wollten Hoffnung auf Versöhnung finden in den Kriegswirren ihrer Zeit. Sie wollten sich nicht mehr fürchten müssen vor falschen Versprechungen. Da stand einer auf, der Prophet Ezechiel, einer, der mehr hörte und weiter sah als andere. Er redete im Namen Gottes und sagte so:

„Mein Knecht David soll ihr König sein, spricht Gott, und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun. Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein, damit alle Völker erfahren, dass ich Gott bin.“ (Ez37,24ff)

 

In diesen großen Worten will Gott sein Versprechen erneuern – auch mitten unter uns will er Wohnung finden – gegen alle Angst. So geht er vielleicht in dem älteren Mann der Kerze im Windlicht nach, denn der traut sich einfach an der erleuchteten Tür zu klingeln und so wird es Weihnachten für die Frau und den einsamen Mann – nicht nur für diesen Abend trägt die beiden der Frieden: nicht alleine bleiben, erzählen, Tee trinken und sich wirklich freuen, die eine über den fremden Gast und der sich über Gesellschaft. Der Mut zu klingeln und der Mut zu öffnen trägt beide bis ins neue Jahr hinein – gewagt und entdeckt: Gott wohnt mitten unter uns! Dieser Gott, von dem wir auch heute Nacht wieder Wunderbares hören, der gibt nicht auf, unter uns Wohnung zu suchen. Mag sein, er wirkt fern und unbegreiflich, aber er bleibt. Gott bleibt – gerade auch da, wo wir Fragen und Zweifel haben. Mitten in unserer zerrissenen Welt wird Gott Mensch und bleibt damit seiner Verheißung treu. Daran erinnert uns das Kind in der Krippe, wehrlos und arm – der „holde Knabe im lockigen Haar“ ist der Gott, der mitten unter uns wohnen will, der Sohn des Zimmermanns und der Frau, die von Gott ins Licht gesetzt wird, Maria.

Nicht erkannt? Den hilfesuchenden, angetrunkenen jungen Mann am Bahnhof, der jeden anspricht. Die Frau mit der Brille, die verschämt ihr geschlagenes Gesicht bedeckt, wenn sich ihr jemand nähert – Gott will ja unter uns wohnen! Seit Jesus finden wir ihn ja gerade in den Gefolterten und an den Rand Gedrängten, in den wehrlosen Kindern unserer Tage – zwischen Mauerresten im zerstörten Syrien genauso wie in den zu engen Wohnungen der Wohnungsbaugenossenschaft, wo es den Eltern gerade für die Miete, nicht aber für Schulbücher und Hefte reicht. Wie bitte kommen diese Menschen an mit ihrer Sehnsucht in der Nacht der Nächte und vor allem wie kommen wir bei ihnen an, bei dem Gott, der unter uns Wohnung sucht?

Wenn Gott da wohnt, dann brauche ich ihm nichts zu beweisen, sondern nur meine Sehnsucht und meine Hoffnung wach zu halten – gegen die Angst, dass ich ohnehin nichts machen kann. Weihnachten erinnert uns mit seiner Botschaft an all das, was wir offen halten: Fragen, Zweifel, Sehnsucht und Hoffnung: hier kannst Du ihn finden, den Gott, der unter uns wohnen will! Gott will im Dunkel wohnen: Und siehe da war ein Leuchten bei den Hirten des nachts. Und höre, da war das Wort des Propheten in finsterer Zeit. Und spüre, da war die Hand der kranken Frau, die nach meiner tastend greift. Und siehe, da traute sich der einsame Mann an der erleuchteten Tür zu klingeln und es wurde geöffnet.

Kommen Sie an in dieser Nacht der Nächte mit all dem, was Sie sind und haben: Gott will bei Ihnen wohnen – mittendrin! Damit aus Furcht Freude und aus Lebenstrümmern Friedenswillen und aus trauriger Schwäche wagemutige Zärtlichkeit und aus hilfloser Einsamkeit ein gemeinsames Lachen werde. Fürchte Dich nicht, hier bist Du am Platz, denn Gott will unter uns wohnen! In Christus Jesus.

Frohe Weihnachten. AMEN

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Britt Goedeking