Picasso und die Erfindung der Friedenstaube

Evangelische Kirchengemeinde Jubilate, Reutlingen

Picasso und die Erfindung der Friedenstaube
Live-Übertragung aus der Evangelischen Kirchengemeinde Jubilate
10.09.2023 - 10:05
Über die Sendung:

Anlässlich des 50. Todestages von Pablo Picasso geht es in diesem Gottesdienst um Frieden, um Picasso und seine weltberühmte Friedenstaube: Ein paar Striche nur. Mit einem grünen Zweig im Schnabel.

Der Gottesdienst erzählt von der Sehnsucht nach Frieden, mahnt den Frieden an und fragt auch danach, was die Bibel zum Thema Frieden zu sagen hat.

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Predigt zum Nachlesen:
I

„Eine Friedenstaube!“ – so höre ich häufig, wenn Menschen eine Kirche oder Bilder aus der christlichen Tradition anschauen: Oben auf dem Dach der Kanzel, in einer ausgemalten Kuppel, auf Bildern von der Taufe Jesu oder auch von Noah in der Arche. Dort findet man sie: Die Taube. Und ganz selbstverständlich gehen die Vorstellungen heutzutage meistens in Richtung „Taube gleich Friedenstaube“. Dabei ist das Bild der Taube als Friedenssymbol noch gar nicht so alt. Die ersten Friedenstauben hat Pablo Picasso gemalt .

Eine der bekanntesten Darstellungen:

Mit wenigen Strichen zeichnete Picasso eine Taube mit einem grünen Zweig im Schnabel. Ein grober, schwarzer Stift auf einem groben, weißen Blatt Papier, vier Striche, ein Auge, ein Schnabel, mehr nicht. Die Einfachheit der Zeichnung unterstreicht den Anspruch. Und dann als einziger Farbtupfer: ein grüner Zweig im Schnabel der Taube. Darunter das Datum: 28. Dezember 1961 – etwas mehr als 60 Jahre ist das Bild alt. Im Gegensatz zur traditionellen christlichen Kunst, aber ziemlich jung.

Picasso kann also als Erfinder der Friedenstaube gelten – doch wie ist er dazu gekommen?

Pablo Picasso wurde 1881 in Malaga in Spanien geboren, er erlebte in seinem Leben bis 1973 sehr viele Kriege. So wurde er nicht nur zu dem vielleicht bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts, sondern auch zu einem Mann, der sich immer wieder für den Frieden einsetzte. Eins seiner bekanntesten Werke war das Bild „Guernica“ von 1937, in dem er sich mit den Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs auseinandersetzte. Es entstand 1937 als Reaktion auf die Zerstörung der spanischen Stadt Guernica. Ein Bild, das lebhaft gegen Krieg und Zerstörung klagt. Das anklagt – und zum Frieden mahnt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1949 der erste Weltfriedenskongress in Paris statt. Dazu wurde ein Plakatmotiv gesucht. Auch Picasso lebte zu der Zeit in Paris und man entschied sich für ein Bild von ihm, eine noch sehr realistisch gemalte Taube. Warum eine Taube als Symbol für den Frieden, fragte Picasso angeblich lachend, Tauben sind doch habgierige und streitsüchtige Vögel. Gleichwohl schuf er in den kommenden Jahren weit über hundert Darstellungen der Friedenstaube, meist wie diese mit einem grünen Zweig im Schnabel, die so berühmt wurde.

 

II

Der grüne Zweig, den die Taube bei Pablo Picasso im Schnabel hält, hat einen Bezug zur christlich-jüdischen Tradition. Zweifellos ist das eine Anspielung auf die Geschichte von Noah in der Arche.

Nach der biblischen Erzählung war Noah mit den geretteten Tieren in der Arche. Nach 40 Tagen Regen und steigender Wasserflut war es endlich ruhiger geworden. Um zu prüfen, ob die Erde wieder begehbar war, schickte Noah zunächst einen Raben und dann eine Taube aus. Dass die Taube zurückkam, war ein Zeichen dafür, dass noch überall Wasser stand. Und dann heißt es weiter: Noah wartete noch „sieben Tage und ließ abermals die Taube fliegen aus der Arche. Sie kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, sie hatte ein frisches Ölblatt in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hatten auf Erden.“ (1. Mose 8,10f)

So ist die Taube mit dem Ölzweig ein Zeichen dafür, dass wieder Ruhe und Frieden eingekehrt sind – Frieden in einem umfassenderen Sinn: Es geht um mehr als das Schweigen der Waffen, Frieden bedeutet vielmehr, dass Menschen gut leben können, im Einklang miteinander, mit der Natur und mit Gott.

 

III

Friedenstauben sind selten geworden in der zurückliegenden Zeit. Der Krieg Russlands in der Ukraine hat Worte des Friedens verstummen lassen. Fast durchweg setzen alle auf militärische Stärke, Waffen und Gewalt. Andere Ansichten werden bestenfalls als naiv bezeichnet.

Da erinnere ich gern an Pablo Picasso, der vor 50 Jahren, 1973, gestorben ist. Er war kein Politiker, aber als Künstler und aktiver Zeitgenosse hat er zeitlebens die Schrecken des Krieges vor Augen gestellt und zum Frieden gemahnt.

Was konkret dem Frieden dient, ist ziemlich umstritten? Was können wir tun? Was machen die Kirchen im Namen Jesu Christi?

Diese Fragen vertiefen wir nach der Predigt und der anschließenden Musik  im Gespräch mit dem Friedensbeauftragten der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Pfarrer Stefan Schwarzer.

Die Friedenstaube erinnert uns jedenfalls daran, dass Frieden und unsere Hoffnung bleibt. Und im Sinne Jesu Christi können wir jetzt schon tun, was dem Frieden dient

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.