Anker-Kreuz

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash.com (capturer le moment)

Anker-Kreuz
29.06.2018 - 06:35
01.03.2018
Matthias Viertel
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Einen Anker kennen die meisten Menschen, nicht nur aus der Schifffahrt, sondern vor allem als Symbol. Manche tätowieren sich so einen Anker sogar auf den Arm, andere tragen ihn als Schlüsselanhänger bei sich. Das ist mehr als nur maritimer Look, denn der Anker gilt schon früh als christliches Symbol. Die Form zeigt deutlich warum: Ein Kreuz, das am unteren Ende so gestaltet es, dass es sich im Boden festhaken kann. Das Kreuz symbolisiert das Leiden Christi und zugleich die Auferstehung. Der Anker zeigt den festen Halt. Ein Ankerkreuz darf deshalb sinnbildlich verstanden werden, so als wolle man damit die Bereitschaft zeigen, den christlichen Glauben zum Fundament des eigenen Lebens zu wählen. Aus dieser Bedeutung heraus ist der Anker zum Symbol für die Hoffnung geworden.

 

In den Debatten um die Asylpolitik wird in diesen Tagen viel über Anker gesprochen: die Idee sogenannter Ankerzentren, in denen Flüchtlinge gesammelt werden sollen, bevor über ihr Schicksal entschieden wird. Und auch Hoffnung wird in den Koalitionsstreitigkeiten geradezu inflationär benutzt, kaum ein Artikel kommt ohne diesen Begriff aus: Angela Merkel will die Hoffnung auf eine europäische Einigung in der Asylpolitik nicht aufgeben. Der Innenminister und Koalitionspartner Seehofer kontert dagegen, dass man von Hoffnung alleine nicht lebe könne. Kritiker dieser Position der CSU lasten ihm an, dass sein Plan von Ankerzentren lediglich Hoffnung für Hoffnungslose vortäusche.

 

Der Begriff hat Konjunktur, aber die Hoffnung selbst scheint dabei Mangelware. Im Koalitionsstreit wirkt die Unnachgiebigkeit stärker als das Hoffen auf einen Kompromiss. Anlegeverbote für Schiffe mit Geflüchteten an Bord häufen sich, die Hoffnung der aus Seenot Geretteten auf einen sicheren Hafen schwindet.

 

In der christlichen Tradition steht die Hoffnung niemals allein und als isolierte Forderung da. Sie bleibt auch nicht abstrakt und konturlos, denn sie ist stets in eine dreifache Einheit gebunden: Allein aus der Verbindung von Glaube, Hoffnung und Liebe erwächst ein Sinn, der den christlichen Willen zum Leben widerspiegelt.

 

Christlich von Ankern und Hoffnung sprechen, das kann ich nicht ohne diesen Zusammenhang. Gerade bei der verfahrenen Diskussion über Flüchtlingskontingente und den Umgang mit Grenzen hilft es, sich an die Einheit von Glaube, Liebe und Hoffnung zu erinnern. Denn über Koalitionsstreit und nationale Egoismen hinaus sind es doch konkrete Menschen, über die geurteilt wird.

 

Christen könnten an die Hoffnung erinnern, dass es für die Menschen, die aus ihrer Heimat herausgerissen werden, doch eine andere Lösung gibt. Eine Zukunft, die Flucht und Zuweisung unnötig macht, weil Kriegstreiber aufhören, ihre Macht auf Kosten der Flüchtlinge zu stabilisieren. Weil Konzerne aufhören, auf Kosten der Herkunftsländern hier ihre Gewinne einzufahren. Weil Politik, Wirtschaft und Menschen die Nöte der Geflüchteten ernst nehmen und mit ihnen gemeinsam die Ursachen bekämpfen.

 

Christen könnten an den Glauben erinnern, der auch für die Flüchtlinge eine lebenserhaltende Kraft ist. Eine Kraft, die tatsächlich bereichernd wirken kann und keine Gefahr darstellt, wenn sie Gegenstand des offenen Dialogs und nicht einer pauschalen Diskriminierung ist.

 

Glaube, Hoffnung und die Liebe. Die größte unter ihnen ist die Liebe, so heißt es im Neuen Testament. Sie ist greifbar, zum Beispiel in der Nächstenliebe zu den Menschen, die aussichtslos im Mittelmeer treiben, von allen abgewiesen werden und in keinen Hafen einlaufen dürfen. Diese Menschen, ihr persönliches Schicksal darf über allen politischen Debatten, so notwendig sie auch sind, niemand vergessen. Sie dürfen nicht auch noch Opfer politischen Kalküls werden - sie brauchen tatsächlich einen Anker, nicht symbolisch, sondern ganz real.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

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01.03.2018
Matthias Viertel