Das Ego und die Liebe Gottes

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash.com (Michal Grosicki)

Das Ego und die Liebe Gottes
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Stephan Krebs
28.06.2019 - 06:35
07.02.2019
Jörg Machel
Über die Sendung

Bürgerhass und Politikerangst - der Mord an Walter Lübcke ist die Spitze eines eisigen Egoismus. Im Alltag hat dieser viele Ellenbogen. Welche Verantwortung tragen dabei Christen? Das fragt Stephan Krebs in seinen Gedanken zur Woche.

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Wer etwas verbessern möchte, fängt damit am besten bei sich selbst an. Deshalb frage ich mich als Christ, der manchmal im Radio spricht: Was kann ich tun, dass Bürgermeister, Politiker und engagierte Ehrenamtliche keine Angst um ihr Leben haben müssen? Erschreckend viele von ihnen werden angefeindet, bis hin zu Morddrohungen. Die können sehr ernst gemeint sein. Das zeigt der Mord an Walter Lübcke, dem Regierungspräsidenten in Kassel. Und schon länger ist bekannt: Auch Sanitäter, Polizisten, Feuerwehrleute und Bademeister werden attackiert.

 

Ungebremst toben an ihnen manche Leute ihren Frust aus und ihren Hass. Was sie damit bei den Opfern anrichten, kümmert sie nicht. Denn für sie zählt nur das eigene Ich. Dabei sind diese Drohungen, Attacken und jetzt der Mord nur die Spitze jenes eisigen Egoismus, der im Alltag viele Ellenbogen hat.

 

Wie ist es dazu gekommen? Da fasse ich mir zunächst an die eigene Nase. Habe ich einen Anteil daran?

Als Christen sprechen wir von der Liebe Gottes, die allen gilt. Wir bestärken Menschen sich geliebt zu fühlen. Gerne zitieren wir Psalm 8. Der sagt: Gott hat den Menschen mit Ehre gekrönt und kaum geringer gemacht als Gott. Die biblische Schöpfungsgeschichte bezeichnet den Menschen sogar als Ebenbild Gottes. Mehr Adel geht nicht. Ist das womöglich einigen zu Kopf gestiegen? Vielleicht bestärkt das manche, das eigene Ich zum Nabel der Welt zu erheben. Inklusive Freibrief zum Hassen, wenn etwas nicht so läuft, wie man es erwartet.

 

Die Liebe Gottes als Lizenz zum Hassen? Das wäre allerdings ein absurdes Missverständnis, denn: Die Liebe Gottes macht nicht das eigene Ego übergroß, sondern sie macht dieses Ego zur Verteilstation der Liebe für andere. Wer sich von Gott geliebt weiß, bewertet nicht nur sich, sondern auch seine Mitmenschen anders. Dazu gehören auch Bürgermeister und all die anderen, die Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen. Auch, wenn sie es dabei nicht immer allen Recht machen können.

 

Es gibt viele Gründe für das überbordende Ego mancher Menschen, das bis zu Hass und Gewaltbereitschaft reichen kann.

 

Viele Menschen nehmen war: Die Ungleichheit steigt. Sie erleben, dass sie zu kurz kommen. Oder sie haben zumindest Angst davor. Das schafft Wut. Wut auf „die da oben“. Und da wird dann nicht mehr differenziert zwischen denen, die tatsächlich ihre Macht missbrauchen und denen, die sich redlich um die jeweils beste Lösung für die meisten Menschen bemühen.

 

Ein weiterer, historischer Grund: Es ist noch nicht so lange her, da herrschten totalitäre Ideen in unseren deutschen Gesellschaften. Sie zwangen alle zum Dienen oder gar zum untertänig sein. Dagegen ist der Individualismus der vergangenen Jahrzehnte eine Wohltat, er hat Freiräume und Freiheiten eröffnet: Mut zu sich selbst. Das ist ein beliebtes Motiv. Udo Lindenberg singt: „Ich mach mein Ding. Egal, was die anderen sagen“. Eine Bank warb mit dem Slogan: „Unterm Strich zähl ich.“ Ein Parfüm heißt „Egoist“.

 

Doch dieser Individualismus hat eine Kehrseite: Manche sind inzwischen so besessen von sich und ihrer Sicht des Lebens, dass sie dafür andere skrupellos opfern.

 

Sie brauchen eine Korrektur. Selbstverständlichkeiten müssen wieder gesagt werden und gelten: Meine Freiheit endet bei der Freiheit des nächsten. Und: Andere haben ein Recht anders zu sein.

 

Allerdings: Diese Selbstverständlichkeiten müssen auch vorgelebt werden, auch von „denen da oben“. Von denen viele gar nicht so weit da oben sind. Die Bürgermeister schon gar nicht. Sie leben oft schlicht um die Ecke und sind ehrenamtliche Kümmerer für den eigenen Ort.

 

Was kann ich als Christ im Radio tun? Vielleicht deutlicher herausstellen: Gottes Liebe bestärkt uns nicht nur, vor allem verändert sie uns. Sie bewirkt keinen Egotrip, sondern einen respektvollen Umgang miteinander. Zum Glück wissen das die meisten Leute und handeln auch danach – so gut sie können. Dafür gibt es täglich neue Gelegenheiten.

 

Zeigen Sie Ihren respektvollen Umgang – diskutieren sie mit, auf Facebook unter ‚Evangelisch im Deutschlandradio‘.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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07.02.2019
Jörg Machel