Kreativ, laut und gut sichtbar

Schüler*innen bei einer Demo der Fridays For Future in Berlin

Gemeinfrei via unsplash.com (Mika Baumeister)

Schüler*innen bei einer Demo der Fridays For Future in Berlin

Kreativ, laut und gut sichtbar
Gedanken zur Woche mit Ulrike Greim
08.03.2019 - 06:35
03.01.2019
Ulrike Greim
Über die Sendung

Klima braucht Verbündete. Protest muss kreativ, gut sichtbar und laut werden. Die Gedanken zur Woche im DLF.

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„Wenn ich heute streiken gehe, schreibst du mir dann eine Entschuldigung?“, fragt mein Kind halb im Ernst, halb kokett. „Für was willst du denn streiken“, frage ich? „Och – schulfrei reicht.“, sagt mein Pubertier. „Nö“, sag ich, „dafür gibt’s keine Entschuldigung. Pah, wär’ ja noch schöner. Wenn du für eine Sache streiten möchtest, die für dich wichtig ist, bekommst du Rückendeckung. Sonst nicht.“ Kind zieht beleidigt ab.

Klima retten kannst du hier zu Hause schon mal anfangen, rufe ich noch hinterher: Müll trennen, Plastik vermeiden, Bio und fair einkaufen, und garantiert nicht alle zwei Jahre ein neues Smartphone! Fridays for future kostet – auch euch, Schätzeleins!

Andererseits: Mein Kind weiß wohl, worum es geht. Und spürt es am eigenen Leib. Es braucht keine Motivation von außen. Unsere Gesellschaft ist krank, die Kinder haben absehbar mit immer mehr schwersten Problemen zu kämpfen. Da wird ihnen schwummerig. Ich merke das.

Das Klima braucht Verbündete. Und wir Eltern, wir Erwachsenen brauchen einen Schub, der uns in Aktion bringt.

Deswegen: Wenn mein Kind konkret und kreativ wird – das wäre mir eine Entschuldigung wert. Wegen Krankheit, würde ich draufschreiben – und zwar der Gesellschaft, nicht meines Kindes.

 

Aktiv-Werden für die eigene Zukunft gehört zum Menschsein dazu. Wenn Kinder das freitags lernen – ein wichtiges Bildungsziel wäre erreicht.

Kein gesellschaftliches Thema lässt sich allein auf politischer Bühne lösen, wenn der gesellschaftliche Druck fehlt. Demokratie braucht das Ärmelhochkrempeln.

Denn eine gelähmte Bürgerschaft baut keine Zukunft. Die packt nicht an. Die wuppt nichts. Die erfindet keine ökologischen Technologien, die baut keine innovativen Häuser, die praktiziert keine neuen Lebensformen.

Wer etwas tun will für das Klima, muss kreativ werden, gut sichtbar und laut.

Go for it, Greta! Sag ich. Ja, regt euch gerne auf. Aber dann will ich auch eure Antwort auf ihre Zukunftsfrage hören. Konkret.

 

Es waren einmal ein paar Freunde. Die hatten einen Kumpel, der war gelähmt. Erwachsen, aber handlungsunfähig. Da hören sie von einem Wunderdoktor. Er habe schon Tote auferweckt, erzählt man sich. Und der kommt ins Dorf. Sie legen ihren Freund auf eine Trage und bringen ihn zu diesem Wanderprediger, Jesus von Nazareth. Aber sie kommen nicht an ihn ran. Vor der Haustür: eine große Traube Menschen. Auch an den Fenstern. So klettern sie auf‘s Dach. Decken es ab und lassen den gelähmten Freund auf seiner Trage an Seilen herab – direkt vor die Füße Jesu. Der ist beeindruckt von ihrem Mut und ihrem Zutrauen. Und spricht zu dem Gelähmten: Das Alte liegt nun hinter dir. Ab jetzt: die Zukunft.

Und als das Volk murrt und die Schlauen maulen, sagt er es mit anderen Worten: Steh auf, nimm dein Bett und geh.

Da straffen sich die Muskeln, da schießt Adrenalin ein, da wächst der Mut mit jedem Atemzug. Und der junge Mann steht auf, nimmt seine Trage und geht.

 

Ist es das, was ganz vorsichtig jetzt in Europa in Gang kommt? Mit den Kindern? Ist es das, was Emmanuel Macron am Dienstag dieser Woche in große Zeitungen in ganz Europa hat setzen lassen? Dass es jetzt Zeit ist, aufzustehen? Er meint das Engagement für Europa. Und dazu gehört untrennbar das Engagement für die Umwelt – CO2-Ausstoß auf Null bis 2050, Pestizide halbieren bis 2025, so sein Ziel. „Werden wir unseren Kindern in die Augen blicken können, wenn wir nicht auch unsere Klimaschuld begleichen?“, fragt der französische Präsident.

Ich lese es und atme auf. Mut ist ansteckend.

Aktiv solidarisiert mit den Jugendlichen haben sich auch über 700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Scientists4Future. Es muss konkret werden, sagen sie und sammeln Unterschriften für ihre Petition. Nächsten Freitag wollen sie mit demonstrieren. Kommen dann auch „Artists for Future“ oder „theologicans4future“, gerne „Athletes4Future“ oder – wow – „Business4Future“? Wo seid ihr? Und wollt ihr gesund werden?

Dann tragt eure Anliegen in die Mitte der Gesellschaft. Kreativ, gut sichtbar und laut.

Heilung ist möglich.

 

Diskutieren Sie mit – auf Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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03.01.2019
Ulrike Greim