Mesut Özil

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via pixabay.com (andy03)

Mesut Özil
13.07.2018 - 06:35
19.06.2018
Eberhard Hadem
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Es ist ein Trauerspiel, das Gezänk um Mesut Özil, den deutschen Fußballer mit türkischer Herkunft, der zum Sündenbock für das Aus bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland gemacht wird. Alles, was sowieso schon an ihm kritisiert wurde, passt scheinbar ins Bild des Buhmanns. Dass er bei der Nationalhymne nicht mitsingt. Dass er und sein Fußballerkollege Ilkay Gündoğan sich auch noch zusammen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan fotografieren lassen. Und schließlich verweigert Mesut Özil auch noch jede Erklärung, warum er das gemacht hat.

 

Aus Sicht der Öffentlichkeit verhält sich Mesut Özil wie ein störrisches Kind, das seinen Fehler nicht einsehen will. Die Presse wird nicht müde zu betonen, dass Ilkay Gündoğan zumindest um das Gespräch mit dem Bundespräsidenten gebeten hat – der richtige Präsident, das rechte Foto zur rechten Zeit, kurz vor der Weltmeisterschaft. Und alle dachten: Uff, Krise beendet!

 

Doch dann wird Gündoğan trotzdem ausgepfiffen, Özil kommt nicht zur Pressekonferenz wie die anderen und der Weltmeister Deutschland fliegt auch noch in der ersten Runde raus – eine Demütigung, die nicht nur das deutsche Fußballherz trifft. Und Özil schweigt.

 

Ein genialer Fußballer wird zum Buhmann gemacht – obwohl es ja die ganze Mannschaft ist, die bei der Weltmeisterschaft in Russland schlecht gespielt hat. Der Deutsche Fußballbund hat bisher die Integration von Gündogan, Boateng und eben auch Özil in die deutsche Nationalmannschaft als seinen Migrationserfolg gefeiert. Anfang dieser Woche lässt der DFB durch seinen Präsidenten Reinhard Grindel erklären, dass die Fans „zu Recht“ auf eine Antwort von Mesut Özil warten, und dieser sich „auch im eigenen Interesse äußern sollte“.

 

Der Druck im Kessel wird bewusst gesteigert, und es ist kein Wunder, dass schon darüber spekuliert wird, ob Özil von sich aus das Handtuch wirft, wie es ihm sein Vater Mustafa als sein früherer Spielerberater rät. Deutlich ist: Der DFB will die Diskussion um Özil nicht aushalten! Das ist der eigentliche Skandal. Es ist eben nicht nur Fußball, um das es geht. Es ist mehr als ein Spiel. Es geht um Politik und öffentliche Meinung.

 

Für die Rechten ist schon der Name ‚Mesut Özil‘ ein erstklassiger Steilpass, weil den Rechten das Wort National wichtiger ist als das Wort Mannschaft. Integration dagegen ist schwierig, braucht Zeit, benötigt Geduld. Gut Fußball spielen, sogar sehr gut spielen, hilft dabei, aber es braucht mehr.

 

Ich erwarte nicht, dass der DFB gutheißt, wie sich Mesut Özil hat fotografieren lassen. Was ich aber vom DFB erwarte, ist, dass er sich vor seinen Spieler stellt, dass er seinen Nationalspieler so aushält, wie er eben ist. Mesut Özil ist ein mündiger deutscher Staatsbürger, der wie jeder andere deutsche Staatsbürger das Recht hat, sich dafür zu entscheiden, nichts zu sagen und nichts zu erklären.

 

Wie mit einem Menschen umgegangen wird, ist nämlich das eigentlich öffentliche Trauerspiel. Manche glauben, Integration bedeute, dass der, der von außen kommt, genauso werden müsse wie die, die drin sind. Richtig ist, dass Integration keine Einbahnstraße ist, beide Seiten müssen sich bemühen.

 

Ich wünsche mir, dass der Integrationsbeauftragte des DFB, der deutsch-brasilianische Fußballer Cacau, sich endlich zu Wort meldet und erklärt, welche beiden Seelen in einer Brust schlagen, wenn man Deutscher und Brasilianer oder Türke ist.

 

Und ich wünsche mir, dass gehört wird, was Mesut Özil tatsächlich selbst öffentlich preisgegeben hat, nämlich was er vor dem Spiel auf dem Rasen tue, während seine Kameraden die Nationalhymne singen: Er bete zu Gott. Spätestens jetzt könnten alle, die sich Sorgen um das christliche Abendland machen, erleichtert aufatmen: Gott sei Dank, wenigstens ein Muslim betet!

 

Mit dem Maß, mit dem ihr andere messt, hat Jesus gesagt (Mt. 7,2), werdet ihr selbst gemessen werden. Das könnte ein christlicher Maßstab sein, für Mesut Özil wie für alle Deutschen.

 

 

Diskutieren Sie mit auf Facebook unter deutschlandradio.evangelisch.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Weitere Infos

19.06.2018
Eberhard Hadem