Roboter für die Pflege

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via pixabay.de (Sabine van Erp)

Roboter für die Pflege
Gedanken zur Woche mit Pastor Matthias Viertel
12.07.2019 - 06:35
27.06.2019
Matthias Viertel
Über die Sendung

"Es ist eben nicht egal, wer das Getränk in das Glas einschüttet. So wichtig wie das Wasser selbst ist die Geste der Zuwendung."
Matthias Viertel kritisiert in den Gedanken zur Woche die Forderung der Caritas, die Sozialarbeit müsse digitalisiert werden - dadurch werde das Wesen der Nächstenliebe gefährdet.

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Es gibt sie tatsächlich schon, die Roboter, die zur Pflege alter Menschen eingesetzt werden. Sie haben sogar Namen, heißen Zora 126 oder Kobian. Die einen können zusammen mit kranken oder einsamen Menschen tanzen und singen. Die anderen sollen sogar in der Lage sein, Gefühle wie Angst, Glück, Trauer oder Ärger zu erkennen. Solche Maschinen werden – zumindest versuchsweise – als Partner für Gespräche oder zur Unterhaltung eingesetzt. In der Betreuung pflegebedürftiger Menschen zeigen diese Roboter einige Vorteile: Sie haben unendlich viel Zeit, werden niemals ungeduldig. Aber ein Aspekt dominiert, und das ist der finanzielle: Roboter sind auf die Dauer billiger als menschliche Arbeitskräfte, sie gehören keiner Gewerkschaft an und verhandeln auch nicht über höhere Stundenlöhne.

Bislang waren solche Maschinen, die menschliches Verhalten nachahmen, um in der Betreuung eingesetzt zu werden, noch Zukunftsvisionen. Mit ihnen wurde experimentiert, und es wurden Untersuchungen angestellt, ob Menschen sie überhaupt akzeptieren.

Aber nun geht es einen Schritt weiter. In dieser Woche hat der Caritas-Verband in Krefeld eine Initiative gestartet, die unter anderem auch Roboter in der Pflege alter Menschen akzeptabel machen soll. Unter dem Slogan „sozial braucht digital“ soll bundesweit der digitale Wandel für die sozialen Berufe eingeleitet werden. Hans Georg Liegener vom Caritas Verband Krefeld zeigt sich optimistisch: Der Roboter in der Pflege „kann anfangs vielleicht nur Getränke in Gläser einschütten“, sagte der Vorstands-Chef, „doch er wird sich weiterentwickeln.“

Der Begriff Caritas, den sich der kirchliche Wohlfahrtsverband als Name zugelegt hat, bedeutet übersetzt Nächstenliebe oder auch Mildtätigkeit. Er ist eng verknüpft mit der Vorstellung von der Liebe Gottes, die grundsätzlich allen Menschen gleichermaßen gilt, besondere Aufmerksamkeit aber den Kranken, den Armen und Einsamen schenkt. Gerade den Leidenden helfend zur Seite zu stehen, soll Ausdruck des gelebten Glaubens sein, so etwas wie angewandte Verkündigung, der in die Tat umgesetzte Glaube.

Vorbild ist dabei der Umgang Jesu mit Kranken. Die Evangelien berichten von vielen solchen Begegnungen mit einsamen, alten und kranken Menschen. Und ein Muster kehrt dabei immer wieder. Jesus wendet sich der hilfesuchenden Person zu, sie schauen sich in die Augen, er spricht mit ihr, schließlich berührt er sie. Es sind diese sehr sinnlichen Erfahrungen, die Berührung von warmer Haut, der verständnisvolle Blick, ein von Herzen kommendes Wort. Diese menschlichen Gesten wirken beruhigend, aufmunternd, sie können sogar heilende Wirkung haben. Das gilt für das Vorbild Jesu, das gleiche gilt aber auch für die Nachfolge.

Der Slogan „sozial braucht digital“ passt schlecht in diese Welt der sinnlichen Begegnung. Die Optimierung der Arbeitsabläufe in der Betreuung alter und kranker Menschen durch digitale Technologien mag betriebswirtschaftlich wohl Sinn ergeben, das Zwischenmenschliche fördert sie nicht. Ich glaube nicht, dass das soziale Miteinander durch Technik verbessert wird, eher im Gegenteil: Im Sinne der Caritas handele ich dann, wenn ich mich um die alten Eltern kümmere; wenn ich mir Zeit nehme, um mit Einsamen zu reden, den Kranken die Hand halte.

Es ist eben nicht egal, wer das Getränk in das Glas einschüttet. So wichtig wie das Wasser selbst ist die Geste der Zuwendung. Wenn ich mir vorstelle, am Krankenbett oder in der Pflegeeinrichtung dann irgendwann einmal von einem Roboter betreut zu werden, macht sich ein beklemmendes Gefühl bemerkbar. Irgendetwas fehlt da. Und das, was da fehlt, ist genau das, was der Begriff der Caritas meint: Liebe, Wertschätzung, Hochachtung. Eine Maschine wird das niemals liefern können weder in der Caritas noch in der Diakonie. Ich meine, wir sollten das nicht schönreden.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

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27.06.2019
Matthias Viertel