Sehnsucht ist eine Kraft

Gedanken zur Woche

Bild: gemeinfrei via unsplash.com/Aaron Burden

Sehnsucht ist eine Kraft
Gedanken zur Woche mit Ulrike Greim
10.01.2020 - 06:35
12.12.2019
Ulrike Greim
Über die Sendung

Die militärische Konfrontation, ein Krieg im Nahen Osten scheint abgewendet. Vorerst. Machtgier und Egoismen bedrohen den Frieden und christliche Werte. Sich als Teil der Schöpfung Gottes zu verstehen macht es dagegen leicht, den Frieden zu suchen. 

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„Mama, wie wahrscheinlich ist ein dritter Weltkrieg?“ fragt mein Kind beim Abendessen. Puh. Meine Tochter ist zu alt für eine beschwichtigende Antwort. Und eine ehrliche? Ich muss lange nachdenken.

Wir wahrscheinlich ist ein Weltkrieg, wenn Iran und USA aufeinander losgehen? Der Nahe Osten wieder hochheizt? Wenn einer machtgierig und unberechenbar mit dem Finger am roten Knopf spielt?

 

Mein Impuls sagt: Keine Sorge, mein Kind, es gibt überall besonnene Menschen, die werden Schlimmeres verhindern. Es gibt Länder, in denen die Vernunft in den Chefetagen noch nicht ausgerottet wurde.

Aber hilft das gegen die Angst?

 

Wir hören die Nachrichten. Immer wieder Trump, Iran, Bomben, Drohungen, Beschwichtigungen. Zwischendrin drohte Trump, im Iran 52 Ziele anzugreifen, auch Kulturgut.

Wir haben schon längst Krieg, weil unsere Kultur im Innersten angegriffen ist. Zu unserer Kultur gehören Respekt und Anstand. Das Zuhören, die Wertschätzung der Schönheit, der Schutz von Schwächeren.

 

Ganz ehrlich, mein Kind, ich weiß nicht wie wahrscheinlich ein Krieg ist. Die politische Großwetterlage ist so aufgeheizt, Gewitterstimmung. Dicke bedrohliche Wolken aus Stolz und Egoismen, aus strotzender Dummheit und Obsession, aus Verletzung und Zorn und Angst. Keine guten Zeiten für den Frieden.

Jedes rein nationalstaatliche Denken, dieses unerträgliche Amerika-first-Gequatsche – was für ein gefährlicher Unsinn. Amerika, Iran – welche Nation auch immer: Konfrontation ist destruktiv. Viele, auch sonst weniger besonnene Staatschefs, melden sich beschwichtigend zu Wort und mahnen zur Mäßigung. Das ist gut. Was wir einmal mehr brauchen, ist der Schulterschluss der Aufrechten. Das Zusammenstehen derer, die diese Welt anders denken können, als sie gerade ist.

 

Wie war sie denn gedacht?

Auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir es so: Es gibt einen Schöpfergott, der das alles hier wollte. Die Erde, den Himmel, das Licht, die Pflanzen, die Tiere. Und am sechsten Tag schuf Gott den Menschen. Mann und Frau – mit dem Auftrag, hier Haus zu halten.

Am siebten Tag aber schuf Gott die Krone der Schöpfung, das Ziel allen Seins: den Ruhetag, den heiligen Tag, das Fest. Ausdruck eines umfassenden Friedens. Das große Ausatmen.

 

Darum geht es. Nicht der Mensch ist die Krone. Die heilige Ruhe ist das Ziel der Schöpfung. Am siebten Tag ruht selbst Gott. Und alles mit ihm.

Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt. Nicht er ist das Zentrum des Universums. Er ist Teil der Schöpfung. Einer mit Auftrag. Aber sein Ziel ist der Frieden. Alle dürfen sein – ohne Anstrengung.

Wer christliche Werte verteidigen will, muss genau das im Auge haben.

‚Ich, ich und nur ich, mein Land und ich‘ – das hat damit nichts zu tun. Gar nichts. Im Gegenteil – das steht dem göttlichen Schöpfungsgedanken zutiefst entgegen.

In ihm sind Leben und Arbeiten auf ein Ziel gerichtet: zu diesem umfassenden Frieden zu kommen, in dem alle ausatmen dürfen – Mensch und Tier und Natur. Da lässt die Bibel keinen Zweifel – dieser Tag des Durchatmens soll allen gelten. Alles Machtgehabe hat dahinter zurückzutreten.

Jeder Präsident ist Teil der Schöpfung, nicht Teil der Krone. Jede Nation ist Teil des Ganzen, in dem Menschen leben – auf dieses eine große Ziel hin.

Und das gilt es zu suchen, zu leben, zu schützen, zu bewahren.

 

Dafür braucht es Demut vor dem Höchsten. Sinn für die Schöpfungsordnung.

Sich als Teil dieses guten Gedankens Gottes zu verstehen, macht es leicht zu kooperieren. Nach dem Frieden zu suchen.

 

Ich glaube, es braucht diese Ausrichtung, dann werden sich Wege finden. Und zwar gemeinsame.

Heute vor einhundert Jahren nahm der Völkerbund seine Arbeit auf. Die Idee, dass sich Nationen verständigen können, bekam eine Gestalt. Eine fragile, aber immerhin. Sie ist nach wie vor da. Es braucht heute – wie damals – mutige Menschen, die sich zurücknehmen können, die das große Ziel suchen, die von sich absehen können, weil sie ehrfürchtig sind vor dem großen Ganzen.

Dann wird es leicht, unseren Kindern zu sagen: Wisst ihr, alle wollen Frieden. Alle. Und die Sehnsucht danach wird größer sein als der Hass und die Dummheit. Diese Sehnsucht ist eine große Kraft. Sie macht kreativ. Der will ich trauen.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

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12.12.2019
Ulrike Greim