Sind wir noch zu retten?

Gedanken zur Woche

MALIZIA II Photo: Andreas Lindlahr

Sind wir noch zu retten?
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Stephan Krebs
23.08.2019 - 06:35
15.08.2019
Stephan Krebs
Über die Sendung

Ein Jahr Schulstreik für das Klima. Jetzt eine globale Bewegung - und Greta Thunberg segelt über den Atlantik, auf dem Weg zur UNO. Eine große Mission für die kleine Greta. Ob wir noch zu retten sind, das liegt nicht allein auf Gretas Schultern…

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„Segeln ist die teuerste Art langsam und unbequem zu reisen.“ Segler kennen diesen Spruch. Damit beweisen sie Humor und Selbstironie gegenüber ihrem Hobby. Denn Segeln mag Spaß machen, bequem ist es sicher nicht. Für eine Segelyacht gilt das in dieser Woche ganz besonders. Die „Malizia“ ist eines der unkomfortabelsten Segelschiffe, das man sich überhaupt vorstellen kann. Eine konsequente Hochleistungsrennyacht – ohne jeglichen Komfort. Knallhart brettert sie durch die Wellen. Auf ihr befindet sich derzeit die „aktuell wohl berühmteste Segel-Crew des Planeten“, so schreibt es ein Seglermagazin. Denn zur Crew gehört Greta Thunberg, die zierliche Schwedin, berühmt geworden als junge Stimme für den Klimaschutz. Genau vor einem Jahr begann ihr Schulstreik für das Klima. Daraus wurde „Fridays for Future“, eine globale Bewegung von Schülern und Studenten. Jetzt ist Greta unterwegs nach New York, wo sie vor der UNO sprechen will. Ihr Anliegen hat sie geschickt bekannt gemacht. Unterstützt von ihren Eltern und Beratern. Geschickt inszeniert hat sie jetzt auch ihre Segel-Reise. Mit der löst sie ein Dilemma: Wie komme ich über den Atlantik – möglichst ohne dadurch das Klima zu belasten, wie es Flugzeuge oder große Schiffe tun. Ganz einfach: mit dem Wind, segeln.

 

Die Kritik kam postwendend und genüsslich. So eine Rennyacht ist aus Karbon, kein wirklich klimafreundliches Material. Die Crew einer so hochkarätigen Rennyacht agiert in einem engen Zeitfenster. Deshalb müssen zwei Crew-Mitglieder mit dem Flugzeug nachkommen um das Schiff wieder zurückzubringen. Natürlich ist diese Reise nicht klimaneutral, sondern eingebunden in diese Welt. Wie alles. Jeder Atemzug, jeder Schritt, jeder Bissen Essen, jedes Kleidungsstück und jede Reise ist ein Teil des großen Weltzusammenhangs und damit auch ein Teil des Klimas. Das hat Greta nie bestritten. Im Gegenteil: Genau das ist ihr Hinweis. Sie verbindet das mit der Aufforderung sich dessen bewusst zu werden. Denn es bedeutet: sich mitverantwortlich fühlen für den Planeten und sein Klima.

 

Greta ist eine von vielen. Was sie sagt, ist nicht neu. Aber sie ist eben anders: Klein, schmächtig, verletzlich und ernsthaft. So zeigt sie etwas, was viele vermissen: Haltung – und das so konsequent, wie es vielleicht nur besondere Menschen tun können.

 

An der kleinen Greta mit der großen Mission arbeiten sich derzeit viele ab. Die einen mit Wut, die anderen mit Bewunderung. Manche überhöhen Greta dabei sogar ins Religiöse und bezeichnen sie als „Ikone“ oder als „Prophetin“, als würde Gott höchst selbst durch sie sprechen. Manche folgen ihr wie Jünger und hoffen mit ihr die Welt retten zu können. Andere qualifizieren Greta ab, dämonisieren sie geradezu, weil sie mit ihr eine Öko-Diktatur heraufziehen sehen. Ob Zustimmung oder Ablehnung: Eines ist beiden gemeinsam: Der Klimawandel erscheint als ein neuer allumfassender Schuldzusammenhang, aus dem der Mensch erlöst werden muss. Sind wir noch zu retten? Und wenn ja: Durch wen?

 

Meine Meinung dazu: Überlassen wir die Rettung der Welt Gott. Freisprechen von Schuld kann alleine Gott. Konzentrieren wir uns lieber darauf, mit den Ressourcen dieser Welt klug umzugehen – und das ist keine kleine Aufgabe! Man muss sie gut überlegen. Und dann, sozial, wirtschaftlich und politisch klug umsetzen. Nicht irgendwann, sondern jetzt.

 

Greta ist dabei nur eine Stimme. Mehr nicht. Dennoch habe ich große Hochachtung vor ihr. Denn sie lädt ein ernstes Problem von Weltrang auf ihre zerbrechlichen Schultern. Eigentlich eine viel zu große Last. Ihr Gesicht gibt sie her für ein drängendes Thema, damit es nicht mehr übersehen wird. Menschen haben es gerne konkret. Sie brauchen Gesichter, die für etwas einstehen. Und sei es nur, um sie dann ablehnen zu können. Als könne man damit auch das Problem ablehnen. Am besten wäre, Greta könnte mal in Ruhe Urlaub machen, weil ihre Frage ernst genommen wird:

Sind wir noch zu retten? Und wenn ja: Wie!

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Es gilt das gesprochene Wort.

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15.08.2019
Stephan Krebs