Arbeit - was zählt

Morgenandacht
Arbeit - was zählt
15.09.2020 - 06:35
11.09.2020
Cornelia Coenen-Marx
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Als in England die Krankenhäuser übervoll waren, da haben Stewards, Stewardessen und Piloten von vier Fluggesellschaften, die im Shutdown arbeitslos geworden waren, eine neue Firma gegründet:  die „First Class Care“. In den Krankenhäusern des National Health Service haben sie Clubräume mit bequemen Sesseln eingerichtet, um Ärzte, Pflegende und Physiotherapeuten im Krankenhaus zu verwöhnen. Eine Stunde freundliche Rundumversorgung mit Kaffee, kalten Getränken und Wellnessmassage. „Wir tun, was wir gelernt haben“, sagte eine Stewardess im Interview. „Wir haben ja trainiert, Menschen zu verwöhnen und zu beruhigen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie wirklich etwas Besonderes sind. Ein strahlendes Lächeln bewirkt eine Menge.“ Wingman hieß das Projekt. Flügelmensch – man denkt an Flugzeugflügel und auch an Engel.

Der Shutdown war eine große Unterbrechung. Plötzlich war alles anders. Auch beruflich. Autobauer wurden zu Maskenproduzenten und Studierende zu Spargelstechern. Paare mit zwei Vollzeitjobs haben entdeckt, dass es gut war, mehr Zeit für die Familie zu haben. Andere haben sich noch einmal auf den Weg gemacht – auf der  Suche nach einem Job mit Sinn. „Ich fühlte mich bis dahin, als würde ich ein Spiel spielen, (…) mit großem Ehrgeiz und Einsatz…“, sagt Nina Hille, die Verlagsgeschäftsführerin war. Sie wollte aber einen Unterschied machen, die Welt ein bisschen besser machen, ihre Leidenschaft einbringen. So landete sie einem sozialen Träger.  Wer sich jetzt Stellenausschreibungen ansieht, der merkt den Umschwung: Portale wie greenjobs.de oder goodjobs.de und Personalvermittlungen wie Talents4Good haben Konjunktur.

Die Bibel erzählt von einem Fischer, der die Leidenschaft verloren hatte. Er kannte sich aus mit seinem Job, wusste, wo die Fischschwärme vorbei zogen. Wann es sich lohnte rauszufahren - und wann nicht. Es wäre immer so weiter gegangen – schließlich stammte er aus einer Familie von Fischern, er lebte in einem Fischerdorf – auch seine besten Freunde waren Fischer. Es wäre immer so weitergegangen, wenn nicht plötzlich einer gekommen wäre, der alles in Frage stellte. Irgendwie auch so ein Mann mit Flügeln. Er kam am Abend, setzte sich zum Predigen in sein Boot und bat ihn am Ende, noch einmal zu den Fischgründen zu fahren – und obwohl da eigentlich nichts mehr zu erwarten war, wäre das Netz fast zerrissen, weil es so voll wurde.

Das warf den Fischer fast um. Plötzlich war alles wieder aufregend und neu. Ein neuer Anfang. So war der Boden bereitet, als Jesus ihn einlud, mit ihm zu gehen. Die Spur zu wechseln. „Von nun an wirst Du Menschen fischen“ sagte er. Etwas tun, was wirklich lohnt, was alles verändert. Petrus zögerte nicht lange; er spürte den Wind im Rücken und ging mit. Und seine Freunde auch.

Dass Arbeit mehr ist als routiniertes Erledigen von Aufgaben - das hat sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt. Es geht auch um mehr als um Leistung und Einkommen - so schmerzhaft die Einkommensverluste für viele jetzt sind. Aber plötzlich haben Gastwirte wieder entdeckt, wie schön es ist, andere zu bewirten. Pflegende und Kassiererinnen bekamen endlich Anerkennung - leider nur kurz. Bürokräfte im Homeoffice haben gespürt, wie wichtig der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist. Fast alle erzählen von langen, persönlichen Telefonaten. Webkonferenzen genügen nicht. Genau hinhören schien die Herausforderung der Stunde zu sein.

Petrus, der Fischer, hat an jenem Abend genau hingehört, er hat sich eingelassen auf eine verrückte Idee und wieder gemerkt, wo sein Herz schlägt. Er hat die Stimme gehört, die ihn beflügelte und herausrief - auf einen neuen Weg. 

Ich weiß nicht, wer in England auf die verrückte die Idee mit der „First Care Class“ kam – aber ich weiß: diese Corona-Initiative hat vielen wieder auf die Beine geholfen. Manchmal ist es gut, wenn die Routine unterbrochen wird. Dann spüre ich, was wirklich zählt. Und wenn andere da sind, die mit mir gehen, kann etwas Neues entstehen. Auch bei mir selbst.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.09.2020
Cornelia Coenen-Marx