Bibelarbeit

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Rod Long

Bibelarbeit
Morgenandacht von Pastor Matthias Viertel
10.06.2023 - 06:35
03.03.2023
Pastor Matthias Viertel
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Bibelarbeiten gehören unbedingt zum Profil der evangelischen Kirchentage. Die großen Foren zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen auf der einen Seite und auf der anderen die theologischen Studien – das sind die beiden Säulen des evangelischen Laientreffens. Man braucht beides, um deutlich zu machen: Christen engagieren sich für die Probleme der Zeit und nehmen die Probleme der Gesellschaft in den Fokus. Und: sie orientieren sich dabei an den Bibeltexten. Die aktuelle Auslegung hilft, den Gedanken eine Richtung zu geben und das eine mit dem anderen zu verbinden.

Auch auf dem 38. Kirchentag, der noch bis Sonntag in Nürnberg stattfindet, werden die einzelnen Tage mit zahlreichen Bibelarbeiten eröffnet. Es ist ein beeindruckendes Bild, wenn Tausende von Menschen sich am Morgen in Messehallen versammeln, um gemeinsam über die Auslegung eines Bibeltextes nachzudenken. Ein Grund für diesen Zulauf ist die Auswahl derjenigen, die diese Bibelstudien anbieten. Denn es gehört zum Profil des Kirchentags, dass sich nicht nur theologische Experten sondern auch Laien mit dem Bibeltext auseinandersetzen. Christen also, die aus anderen Berufsbereichen kommen und ihre persönliche Erfahrung  in die Interpretation der Bibel einfließen lassen.

Einer von ihnen ist Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Als Jugendlicher besuchte er ein katholisches Internat und spielte kurzfristig sogar mit dem Gedanken, Priester zu werden. Später entschied er sich dann aber doch für die Politik. Heute hat er Gelegenheit, diese religiöse Seite seiner Persönlichkeit zu zeigen. Gewiss wird er mit seiner Bibelarbeit großes Interesse auf sich ziehen.

Der Text, der heute allen Bibelarbeiten zugrunde liegt, steht im Lukasevangelium. Es ist eine kurze Passage, in der Jesus auf die Bitte seiner Jünger eingeht, ihren Glauben zu stärken (Lk 17,5). Im Programm hat der Text die Überschrift bekommen: „Die Zeit wird kommen“.

Wie die Position der Kirchen wieder gestärkt werden kann und wann die Zeit dazu kommt, ist tatsächlich eine besonders drängende Frage. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 380.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten.* Das sind immerhin mehr als die Stadt Bochum Einwohner hat. Über die Ursachen dieser Welle wird viel gesprochen. Es sind verschiedene: Die Missbrauchsfälle, die viele zornig auf Kirche insgesamt machen. Die Kirchensteuer, die manche in der Not einsparen wollen. Aber auch ein Plausibilitätsverlust ist nicht zu übersehen: die traditionellen Antworten bieten vielen keinen Halt mehr in den Herausforderungen der Zeit.

Der Text für die Bibelarbeit bietet hier eine interessante Perspektive. Er sagt: Geht nicht hin und lauft allem möglichen hinterher, sucht nicht in der Zukunft, nicht in Utopien, schaut vielmehr genau auf das Leben, denn das Himmelreich ist mitten unter euch!

Etwas vollmundig klingt das im ersten Moment, aber dahinter steht ein ganz anderes Anliegen: Es ist eine Absage an die durchaus bequeme Haltung, für das, was mir wichtig ist, was ich unbedingt will, bloß auf die Suche zu gehen. Und zwar draußen zu suchen, bei den anderen, in den Ideologien, bei denjenigen, die Versprechungen machen. Wenn es in dem Bibeltext heißt: Die Lösung ist nicht hier, sie ist nicht dort, dann weist das auf ein grundsätzliches Problem hin: Nicht wo wir Lösungen finden steht im Mittelunkt – sondern vielmehr wo wir sie auch umsetzen. Die Möglichkeiten, eine bessere Welt zu gestalten, liegen in unseren Händen, nicht irgendwo in der Zukunft, nicht bei den anderen und auch nicht allein in den politischen Programmen. Das Himmelreich ist mitten unter uns.

Es wird spannend und anregend sein, wie sich Politiker wie Winfried Kretschmann mit diesem Text in der Bibelarbeit auseinandersetzen. Viel aufregender aber ist es, wie ich selbst damit umgehe, dass mir längst gesagt ist, was gut ist (Micha 6,8).

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur dieser Sendung:

  1. https://www.tagesspiegel.de/politik/evangelische-kirche-verzeichnet-massive-kirchenaustritte-auch-in-berlin-und-brandenburg-geht-die-mitgliederzahl-der-protestanten-um-34-prozent-zuruck-9465053.html
03.03.2023
Pastor Matthias Viertel