Bilder

Morgenandacht
Bilder
09.01.2021 - 06:35
05.01.2021
Jörg Machel
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Luther hat in seinem Kleinen Katechismus zwar die zehn Gebote versammelt, einen Abschnitt aus dem Dekalog der Bibel hat er allerdings unterschlagen. Dort findet sich auch diese Passage:

"Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!" (Ex 20, 4.5)

Wahrscheinlich wollte Luther nicht noch Öl ins Feuer gießen, wo doch gerade die Bilderstürmer durch das Land zogen. Bilderstürmer, die im Bauernkrieg Klöster und Kirchen überfielen und sie leerfegten. Heiligenbilder wurden heruntergerissen, Reliquienschreine zerstört, Schnitzwerk verbrannt. Der ganze Reichtum kirchlicher Kunst war den geknechteten Bauern zu Luthers Zeit zu einem Ärgernis geworden; mehr noch, er war ihnen ein Verstoß gegen das göttliche Gebot: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen."

Doch nur weil ein Gebot provokant und missverständlich ist, sollte es nicht unterschlagen werden. Es muss allerdings in den richtigen Zusammenhang gestellt und erklärt werden. Festzuhalten ist: um uns zu orientieren, können wir gar nicht darauf verzichten, uns von dieser Welt ein Bild zu machen. Jeder Naturwissenschaftler weiß um die Fragwürdigkeit all der Modelle, mit denen er sich den Aufbau der Atome verständlich macht. Und doch kommt niemand ohne solche Bilder von den kleinsten Teilchen der Materie aus, der sich mit ihr beschäftigen will.

Ebenso kann ich auch nicht abstrakt zum Glauben finden. Ich bleibe darauf angewiesen, mir meinen Glauben in Bildern zu erschließen oder indem ich auf andere Menschen und auf deren Glaubenserfahrungen Bezug nehme. Nicht umsonst spricht man vom „Weltbild“, das wir Menschen uns machen.

Aus diesem Grunde teile ich Luthers Ablehnung der Bilderstürmerei und kann diese göttliche Weisung auch nicht wörtlich nehmen. Und dennoch halte ich auch an diesem Abschnitt der zehn Gebote fest. Er hat seinen Wert, weil er mich daran erinnert, die Bilder nicht mit der Sache zu verwechseln. Mein Bild von den Dingen ist nicht mit ihnen gleichzusetzen.

Alles was mich umgibt – sei es auch noch so schön und eindrucksvoll – ist Geschöpf eines Größeren. Ihm verdanke ich meine Existenz und niemandem sonst. Ein Gott, jenseits des Sichtbaren, nimmt mir die Freiheit nicht, sondern macht mich erst frei. Hänge ich mein Herz auch nur eine Instanz tiefer, bin ich gefangen in meinem eigenen Gottesbild. Und wenn heute die Wissenschaft oder Institutionen oder Gesetze letzte Gültigkeit beanspruchen, so gilt auch hier: "Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!"

Auch in der Bibel kam man nicht umhin, Gott in Bildern zu umschreiben. Wie ein Adler soll er sein, der schützend die Flügel über seine Geschöpfe breitet. Jeus nannte Gott sogar liebevoll Väterchen. Die Weihnachtskrippe in Südafrika ist aus schwarzem, südafrikanischem Ebenholz geschnitzt und alle Figuren haben Kräusellocken, so wie jene, die sie gefertigt haben. Inkulturation nennt das die Theologie. Damit habe ich kein Problem, denn Gott ist jenseits des Sichtbaren.

Entscheidend ist eines: Der Glaube an Gott darf nicht dazu missbraucht werden, Menschen gefügig zu machen. Er will Möglichkeiten aufzeigen für ein reiches, befreites und menschenwürdiges Leben.

Mein Bild von Gott ist nicht mit Gott gleichzusetzen. Eine Einsicht übrigens, die Christen, Juden und Muslime miteinander teilen sollten.

 

05.01.2021
Jörg Machel