Corona-Demut

Morgenandacht
Corona-Demut
27.04.2020 - 06:35
30.01.2020
Thomas Dörken-Kucharz
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Die Corona-Krise schönreden? Das geht gar nicht! Auch wenn manche Homeoffice und Kleinfamilie genießen, viel zu vielen geht es richtig schlecht. Ältere leiden unter der Isolation, Jüngere an der verordneten Untätigkeit, Angestellte und Selbständige fürchten die Insolvenz ihres Betriebes und drohende Arbeitslosigkeit. Inzwischen gibt es zwar manchen Lichtstreif am Horizont, vorbei ist die Krise aber noch längst nicht.

Die Corona-Pandemie ist eine Krise. Das griechische Wort Krisis meint Zuspitzen, Unterscheiden und Entscheiden. Eine Krise kann man nicht einfach aussitzen und hoffen, dass alles irgendwie noch gut werden wird. Man muss in einer Krise handeln und aus einer Krise Lehren ziehen.

Mir führt die Pandemie vor Augen, wie unberechenbar das Leben ist. Das meiste von dem, was ich vorhatte und plante für dieses Jahr, hat sich in Nichts aufgelöst. Findet nicht statt. Und mir geht es dabei noch gut. Ich bin nicht krank, jedenfalls noch nicht. Mir droht Kurzarbeit, aber bislang nicht der Verlust des Arbeitsplatzes.

Dennoch frage ich mich: wer werde ich, wer werden wir sein nach dieser Krise? Sie wirft uns ja alle irgendwie zurück. Und nicht zuletzt auch jede und jeden auf sich selbst. Muss ich mich selbst neu verstehen lernen?

Dass sich von einem auf den andern Moment das Leben total ändert, davon leben ja Roman, Film und Serie. Als Zuschauer bereitet mir das allabendlich angenehmen Nervenkitzel. Dass solch ein Schicksal alle betrifft und tatsächlich massiv ins Leben eingreift, das ist eine neue Erfahrung, nicht nur für mich. Aus eigener Anschauung können nur noch die Ältesten unter uns von solcher Unverfügbarkeit des Lebens erzählen.

Und quasi über Nacht hat sich alles geändert seit März, zeigte sich das Leben als unverfügbar. Positiv gewendet heißt das: ich bin Teil dieser Welt, dieser Schöpfung. Und merke: darüber kann ich mich nicht erheben und darüber soll ich mich auch gar nicht erheben - für diese Lebenseinstellung existiert ein altes, kaum noch gebrauchtes, weil zu oft missbrauchtes Wort: Demut. Ich weiß nicht, ob man den Begriff retten kann. Kirche - und die Obrigkeit an ihrer Seite – haben Jahrhunderte lang Demut eingefordert und das Wort benutzt, um Menschen klein und abhängig zu halten. Daran ist nichts zu beschönigen. Menschenwürde und Freiheit und Selbstbestimmung mussten oft gegen Kirche und Obrigkeit erkämpft werden. Demut. Schon das deutsche Wort ist schwierig. Es meint in der Wurzel Dienstwilligkeit, gemünzt auf Abhängige, Knechte und Sklaven.

Die Demut aber, die ich meine, ist gerade nicht Selbstlosigkeit und nicht Unterordnung. Etwa so, wie es die Hobbits im „Der Herr der Ringe“ verkörpern. Sie sind einfach Teil ihrer Welt, haben das Herz am rechten Fleck und sind alles andere als machtgierig. Nur deshalb kann Frodo Beutlin zum Ringträger werden, und können die vier Hobbits dann das größte Abenteuer in Mittelerde bestehen und das Böse besiegen. Am Schluss wollen die vier dann ihre Knie demütig vor dem neuen König beugen. Doch es ist dieser selbst, der sein Knie vor den vier Gefährten beugt. Freundschaft übersteigt Herrschaft.

Demut erscheint viel aufschlussreicher, wenn ich sie in freundschaftlichen Beziehungen denke und nicht in Herrschaftskategorien. Im Johannesevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: Ich nenne Euch von nun an nicht Knechte, sondern Freunde! Für mich einer der schönsten Sätze des Neuen Testaments. Und mehr noch: Alle Menschen dürfen sich als Kinder Gottes verstehen.

Demut heißt aber auch: Gott ist mehr als mein Duzkumpel und mein Freund. Er ist eben auch Schöpfer, Erhalter und Erlöser. Dass wir Gott nicht nur lieben, sondern auch fürchten sollen, auch das lehrt mich die Krise. Gott fürchten im Sinne von ehrfürchtig sein. In solcher Ehrfurcht steckt das Anerkennen von Zusammenhängen, Mechanismen und Evolution, die mich vielfach übersteigen. Forschung und Technik haben teil an der Schöpfung, entschlüsseln sie und versuchen, sie zu verstehen. Aber sich darüber erheben, das Leben für berechenbar und planbar halten, das rächt sich.

Wenn uns Corona diese Abhängigkeit lehren kann, dann hat die Krise hoffentlich auch ihr Gutes. Das redet ihre Schrecken aber nicht schön.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

30.01.2020
Thomas Dörken-Kucharz