Da musst du jetzt durch

Morgenandacht
Da musst du jetzt durch
19.01.2021 - 06:35
18.01.2021
Stephan Krebs
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Dass es schwierig werden könnte, damit hatte Lars gerechnet. Sechs Monate Auslandsaufenthalt in Indien sind für einen gerade mal Zwanzigjährigen eine Herausforderung. Lars hatte erwartet, dass er mit der Sprache Probleme haben würde, und mit der Kultur. Sicher auch ab und zu mal mit Heimweh. Aber mit einem hatte er nicht gerechnet: Dass er sich ein paar Wochen vor der Abreise nach Indien verlieben würde. Doch nun ist es geschehen. Und er ist glücklich verliebt – über beide Ohren. Jeder Tag scheint ihm für die Ewigkeit zu sein. Doch der Tag seiner Abreise rückt unerbittlich näher. Und dieser Tag, den er vor kurzem noch als Beginn seines spannenden Abenteuers herbeigesehnt hatte, wird plötzlich zum Schreckensdatum: Getrennt von seiner Geliebten – ein halbes Jahr lang!

Lars denkt daran den Einsatz in Indien abzusagen. Das versteht seine Mutter gut, zugleich denkt sie aber weiter. Sie weiß: Wenn Lars jetzt nicht führe, würde das für immer diese Liebe belasten. Deshalb sagt sie: „Da musst du jetzt durch.“ Das sagt sie nicht mit warmherzigen Mitleid, das sie durchaus empfindet, sondern mit einem kernigen Trotz in der Stimme: „Da musst du jetzt durch!“ Dieser Satz klingt ein bisschen wie die moderne Variante des „Reiß dich zusammen!“. Lars soll sich nicht hängen lassen, sondern diese Zeit für sich und seine Persönlichkeit als Herausforderung sehen. Deshalb appelliert sie an seine innere Haltung: „Da musst du jetzt durch.“

 

Lars spürt die Energie, die in diesem Satz steckt. Aber auch die Härte. Der Satz eröffnet keine Alternative, kein Schlupfloch. Er lässt nur geradeaus blicken, geradewegs in die dunkle Wegstrecke hinein. Der Satz signalisiert aber auch: „Das dauert nicht ewig. Schau auf das Licht am Ende des Tunnels.“ Dort wird Lars gestärkt ankommen. Und auch seine Liebe, wenn die Fernbeziehung bis dahin hält.

Lars steht also eine Zeit der Bewährung bevor: sich prüfen, Charakter zeigen, Selbstdisziplin lernen, erwachsen werden – viele Gesichter hat diese uralte Menschheitserfahrung. Es ist auch ein Element des christlichen Glaubens: Das Leben als Bewährungsphase, vor Gott und den Mitmenschen. Auch mal zeigen: Ich kann ein finsteres Tal im Vertrauen auf Gott durchstehen. Diesen Weg der Bewährung beschreibt der Apostel Paulus in einer präzisen Wortkette so: „Wir rühmen uns der Bedrängnisse, denn Bedrängnis bringt Geduld, Geduld bringt Bewährung, Bewährung führt zu Hoffnung und Hoffnung eröffnet die Liebe Gottes.“

Diese Gedankenkette klingt im ersten Moment nach einer markigen Durchhalteparole. Als wolle Paulus den eisernen Durchhaltewillen zur göttlichen Mutprobe überhöhen. An deren Ende ist dann, quasi als Trophäe, die Liebe Gottes zu erringen. Aber der Glaube ist keine Leistungsschau. Das sagt Paulus immer wieder. Ihm geht es um etwas anderes. Paulus will zeigen: Gerade in den harten Zeiten der Bewährung, wenn man es am meisten braucht, dann kann einem Gott besonders nahe kommen. Gott erlebt die harten Zeiten mit und trägt sie mit. Diese Erfahrung beschreibt der Psalm 23 so: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du, Gott, bist bei mir.“

Dieser Vers fällt Lars nun wieder ein. Er hat ihn als Konfirmand gelernt. Die Worte klingen warm. Irgendwie beruhigend: Nicht allein. Ein Tal, so finster es ist, dauert nicht ewig. Am Ende wird es wieder hell. So denkt Lars – und das hilft ihm schon ein wenig. Zumindest für den Moment. Er nimmt sich vor, sich diesen Satz immer zu sagen, wenn er in ein dunkles Loch fällt. Dann will er sich vorstellen, was ihn da herausziehen könnte: Er wird nicht allein sein. Er wird viel erleben. Er wird es seiner Geliebten in Videogesprächen erzählen. Sie wird ihn besuchen. Er wird ihr vieles zeigen können. Sie wird stolz auf ihn sein. Seine Mutter auch. Er auch. Und Gott – womöglich auch.

 

Bibelnachweis: Römer 5,3-5, Psalm 23,4f

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.01.2021
Stephan Krebs