Demütig

Morgenandacht
Demütig
06.01.2021 - 06:35
05.01.2021
Jörg Machel
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Ich weiß, es waren keine Könige, die sich aufmachten zum Stall in Bethlehem, um dem Jesuskind zu huldigen. Es waren Magier. So jedenfalls steht es in der Bibel. Die Geschichte von Caspar, Melchior und Balthasar kam erst viel später in die Welt. Da war das Christentum schon Staatsreligion und auch die Herrscher beanspruchten ihren Platz in der Weihnachtsgeschichte.

Das Christentum hatte sich mit der Macht verbündet. Oder muss man vielleicht richtiger sagen: die Mächtigen haben das Christentum okkupiert? Beides stimmt ein wenig und man muss sehr genau hinschauen was nun gilt. Humanisiert die Religion gerade die Politik oder missbraucht die Politik - wieder einmal - die Religion?

Zunächst erzählt diese Weihnachtsüberlieferung von einer Demutsgeste. Die Mächtigen dieser Welt verbeugen sich vor dem Kind in der Krippe. Aus den damals bekannten Erdteilen sollen drei Könige zum Stall gepilgert sein: aus Asien, Afrika und Europa. Die Mächtigen erkennen mit ihrer Verbeugung an: Jesus ist der von Gott gesandte Retter. Mit ihm bricht eine neue Zeit an, sie übergeben ihre Herrschaft an ihn. Die bis dahin gottgleich gehandelten Menschenkönige treten ab. Nicht mehr ihnen ist zu huldigen, sondern dem neu geborenen Heiland.

Und damit ist die Sollbruchstelle benannt, die meine Religion in Konflikte stürzt. Immer wieder und immer mit offenem Ausgang, seit Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erklärte. Im Brandenburgischen Lesebuch, das aus der Kaiserzeit in unserem Bücherschrank überdauert hat, stehen viele Anekdoten, in denen die Herrscher demütig und großherzig den Schwachen dienen, Sozialfürsorge treiben, weil sie das als ihre Christenpflicht ansehen. Doch auch von Kriegen ist da die Rede, von Kriegen, die im Namen dieses Gottes für König und Vaterland geführt wurden und die in meinen Augen nichts als Gotteslästerung sind.

Der schlichte Satz Lenins, dass die „Religion Opium für das Volk“ sei, greift zu kurz. Religion ist missbrauchbar, ja. Aber sie führt auch ein Eigenleben. Die Herrschenden haben die Religion zwar immer wieder für ihre Zwecke instrumentalisiert, sahen sich aber immer wieder auch von ihrem Glauben in die Pflicht genommen. Religion in der Verbindung mit den Herrschenden war immer Fluch und Segen. Mehr Fluch als Segen allerdings, so muss man resümieren.

Der Dreikönigstag heute erinnert an die Geste der Mächtigen im Stall von Bethlehem. Ich frage mich, wie sie zu einer Wohltat für unsere Zeit werden könnte. In einer Zeit, in der viele nur noch wenig mit dieser Überlieferung verbinden, muss das etwas sein, das auch den säkularen und andersgläubigen Menschen einleuchtet.

Und das ist schlicht, den Mächtigen dieser Welt die Bereitschaft zur Demut abzuverlangen. Niederzuknien vor einem Kind, ist gar keine schlechte Geste. Dabei muss es gar nicht das Jesuskind sein, das mein Bild von angemessener Demut geprägt hat. Es kann auch ein Kind sein im Schlauchboot auf dem Mittelmeer. Oder in einem Flüchtlingslager in der Türkei. Oder in einer Babyklappe in Kreuzberg.

Niederknien und sich eingestehen: dieses Kind hat mir etwas zu sagen, über meine Verantwortung für die Zukunft, über die Fehlbarkeit meiner Einsichten, über meine Unentschlossenheit, über meine Lieblosigkeit. All das sehe ich nirgendwo so deutlich vor mir wie in den Augen eines kleinen Kindes.

Bevor sich irgendwann jene durchsetzen, die den Gottesbezug aus dem Grundgesetz streichen wollen, gebe ich zu bedenken: es lohnt vielleicht über Alternativen nachzudenken, um nicht am Ende die Demut aus dem Grundgesetz zu streichen.

 

05.01.2021
Jörg Machel