Distanz im Kirchenraum

Morgenandacht
Distanz im Kirchenraum
10.01.2019 - 06:35
06.12.2018
Peter Oldenbruch
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„Ich ermahne euch nun, dass ihr eure Leiber hingebt

als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.

Das sei für euch der wahre Gottesdienst.

Und stellt euch nicht dieser Welt gleich,

sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes,

damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist,

nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

 

Schreibt Paulus im Römerbrief.

Gebt eure Leiber als ein Opfer hin …

Wie polemisch das gemeint ist, lässt sich heute kaum noch heraushören.

Paulus kritisiert damit die Opfer in den Religionen seiner Zeit.

Lämmer, Stiere oder andere Tiere wurden feierlich dekoriert,

in einer großen Prozession zum Tempel geführt,

 dann kultisch geschlachtet und auf einem Altar verbrannt.

Die Gottheit sollte damit gnädig gestimmt werden.

Beim Tieropfer werden heilige Körper Gott zur Verfügung gestellt.

 

Funktioniert wie von allein!

Ohne dass ich in meinem realen Leben etwas tun oder verändern müsste.

Das um Gottes willen nicht!, wetterte Paulus.

Solche Opfer lehnte er ab.

Gott braucht keine Tieropfer, meinte er.

Und Religion hat es mit dem normalen Leben zu tun, mit der leiblichen Existenz von Menschen,

mit dem, was sie tun. Oder lassen.

Gebt ihr eure Leiber hin als ein Opfer, sagte Paulus.

Ihr selbst seid das Opfer, meinte er. Ein lebendiges jedoch, kein blutiges.

Das normale Leben, der Alltag, all das, was mit Hand und Fuß getan wird, - das ist der Ort, wo Gott gedient wird.

Auf der Arbeit, beim Sport, beim Essen, in Familie, im Verein oder im Urlaub - all das ist kein gottfreier Raum.

Einen „Gottesdienst im Alltag der Welt“ hat Paulus im Sinn, keinen, der allein in einem Tempel oder einer Kirche stattfindet.

 

Und gleichzeitig sagt er: Stellt euch nicht dieser Welt gleich!

Ganz nah am griechischen Text könnte man auch übersetzen:

Passt euch dem Schema dieser Welt nicht an!

Lasst euch dem Schema der Welt nicht gleichschalten.

Distanz zur Welt, Abstand zu der Welt, fordert Paulus – im gleichen Atemzug, in dem er Welt und Gottesdienst, Welt und Religion aufeinander bezieht.

 

Wie das zusammengeht?

Vielleicht sollten auch wir Protestanten noch mehr Kirchen tagsüber öffnen.

In vielen Innenstädten gibt es längst auch offene evangelische Kirchen.

Meistens dort, wo auch Stadtkirchenarbeit verortet ist.

Ich denke, wir brauchten mehr davon.

Denn: beim Betreten eines Kirchenraumes werden die meisten Menschen wie von selbst still.

Und genau das könnte ein erster Schritt sein, eine gewisse Distanz herzustellen: Zu meinen Problemen und Konflikten, zu dem, was mich belastet, nicht loslässt.

Im Kirchenraum tritt eine Distanz ein.   

Auch zu den Problemen der Welt, die mich täglich überfluten.

Im Urlaub machen das viele. Gehen in eine Kirche und lassen die Kühle, die Fremdheit, das andere dieses Raumes kommen.

Auch die Autobahnkirchen sind genau dazu da.

 

Um im Alltag der Welt leben zu können, brauchen Menschen offensichtlich etwas, was sich anders anfühlt, als der Stoff, aus dem die Welt besteht.

Einen anderen, ausgegrenzten Ort.

Einen von der Welt getrennten Ort.

Eine Ruhezone für die Konzentration nach innen.

Einen Ort, der die Aufmerksamkeit auf das richtet, was hinter den Dingen liegt.

 

Kirchen sind solche Orte.

Alte Kirchen in besonderer Weise.

Weil sie gut eingebetet sind.

Dort fällt es leichter, über sich selbst neu nachzudenken.

Womöglich sogar prüfen zu können, „was Gottes Wille ist: Das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

Was Gottes Wille ist, wissen wir nicht!

Aber fragen können wir danach. Uns. Und ihn.

Drei Prüfaufträge gibt Paulus an die Hand.

Was ist gut?

Gut für uns, gut für mich und gut für die anderen?

Was ist gut für alle Menschen auf unserm blauen Planeten?

 

Was ist schön? Also: wohlgefällig?

Was ist die richtige Form?

 

Was wäre vollkommen?

Also was „stimmt“?

Was stimmt für mich?

Und was stimmt nicht bloß allein für mich, sondern auch für die andern.

Was ist‘s, wozu Gott im Himmel ja sagen könnte?

Und Amen.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

06.12.2018
Peter Oldenbruch