Gegenan glauben: Der Morgen danach

Morgenandacht
Gegenan glauben: Der Morgen danach
14.04.2020 - 06:35
30.01.2020
Claudia Aue
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Auch, wenn es noch so geglitzert hat. Der Morgen nach einer großen Feier ist immer irgendwie blass. Müde noch und alles etwas unaufgeräumt. Essensreste, Unmengen an dreckigem Geschirr und Flaschen nach einer Geburtstagsparty. Nach Ostern ein paar Alufetzen von den Schokoladeneiern und dem Marzipan, vom guten Essen ist auch noch übrig, aber nichts davon mehr frisch. Und man ist wieder allein, unter sich.

Der Morgen nach DIESER großen Feier ist ganz anders, ein anderer Morgen im Osterlicht danach. Das Virus hat alles durcheinandergewirbelt – und vor allem die Sorgen nach oben. Zum ersten Mal, soweit ich denken kann, gab es keine Ostergottesdienste in den Kirchen und Kapellen. Jedenfalls keine, zu denen ich gehen konnte. Kein gemeinsames Abendmahl am Gründonnerstag, keine Andacht zur Todesstunde. Keine Osternacht in der hell werdenden Kirche. Kein gemeinsames Osterfrühstück mit der Gemeinde nach dem Gottesdienst am Sonntagmorgen.

Der Morgen danach. Diesmal scheint seine Ernüchterung das Fest ersetzt zu haben. Wie kann ich den österlichen Hoffnungsfunken weiter leuchten lassen in diesen Tagen? Wie kann ich weiter hoffen gegen all das, was das Leben gerade schwer macht, so einsam und so kompliziert? Wie kann ich wenigstens mit den Trauernden weinen und sie trösten? Wir beklagen die Opfer und wissen um die, die noch kommen werden. Wie kann ich da gegen die Macht des Virus den Himmel im Blick behalten? Und gegen die Stimmen der Vernunft weiter daran glauben, dass bald ein Ende in Sicht ist? Und dennoch vernünftig handeln und all die vielen Informationen sortieren? Sie sagen mir eher, wie hart es noch werden wird mit dem Virus. Wie einsam und zerstörerisch. Wenn es um Existenzen geht, Menschen ihr Einkommen verlieren. Wenn ältere Menschen isoliert, müde und traurig werden. Flüchtlinge in den Lagern noch viel mehr als sonst verschwiegen und vergessen werden.

Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Aber ich will den Weg der Ostertage weiter gehen und mich eintragen in diese alte Geschichte vom Leben gegen den Tod. Hoffen möchte ich, dass mich diese alte Lebensgeschichte wie ein Mantel begleitet und beschützt. Denn Jesu Grab war leer und die Frauen durften als erstes erfahren: Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Dennoch. Heute, am Morgen danach ist mein Kopf wieder wie vom Virus verkatert, ich bin entmutigt. Und ich bewege mich langsam, wie die traurigen Emmausjünger in der alten, biblischen Geschichte. Kilometerlang trotteten sie neben Jesus her, ohne ihn zu erkennen – doch dann fragen sie sich: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Weg mit uns sprach, und als er uns die Schriften erklärte?“. Auf ihrem gemeinsamen Weg mit Jesus ahnen sie es schon – aber erst später beim Brotbrechen: „wurden ihre Augen geöffnet“. Da reißt der Himmel ein bisschen auf. Ihr Begleiter hat ihnen die Schrift ausgelegt, die richtigen Worte im rechten Moment gesprochen. Hat vielleicht eine zärtliche Geste gemacht. Und die Jünger spüren: Es geht weiter, obwohl wir gerade nicht mehr weiterwissen.

Himmel und Erde haben sich in diesem Moment nicht nur berührt, Himmel und Erde haben sich verbunden. Nicht nur in diesem Moment, sondern auch darüber hinaus. DAS lässt mich hoffen, beim Weitergehen in diesen Corona-Tagen.

Und hoffen lassen mich auch: tröstende Flashmobs oder Briefe an Einsame, ab und zu auch mal ein Lächeln, das Grün im Wald, das fast blendet. Mini-österliche Momente. Fast beschämen sie mich etwas in Tagen wie diesen. Aber solche Momente lassen mich gegenan glauben – nicht irrational, trotzig oder wütend. Sondern leise, holperig und etwas blass. Aber immerhin!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Claudia Aue