Gib dich nicht auf

Sendung zum Nachlesen

Gib dich nicht auf. In schwarzen Buchstaben hat das jemand auf eine Kugellampe im Probenkeller geschrieben. Ich bin bei der Musikband „fighting spirits“, den kämpfenden Geistern in Düsseldorf zu Gast. Das sind Kinder und Jugendliche, die an Krebs oder einer anderen lebensbedrohlichen Krankheit leiden – und ihre Freunde und Geschwister. Unter dem Namen „fighting spirits“ komponieren sie und schreiben Texte, machen Musik vor vielen hundert Konzertgästen. Ein paar Profis helfen dabei.

„Hätte ich früher schon gewusst, was mein Leben mir bringt, es vorher gekannt

Hätt ich geschrien, gefleht, wäre davon gerannt

Die Welt entgleitet meiner Hand, ich steh am Rand eines Abgrunds

(chancenlos, die Angst zu groß, gnadenlos)“. (1)

Düsseldorf: Die Haare ausgefallen. Das Gift fließt in die Adern. Chemotherapie. Die anderen in der Schule – und sie: Vergessen?

„Die Welt wird klein, nur eine Bettenlänge groß,

kann nicht steuern, ich treibe bloß.

(...)

Ich spür das Gift, das mich retten soll,

es macht mich fertig - ich kotze alles voll.

Keine Haare, kein´ Bock, kein Land in Sicht …

Mist, verdammt – die Hoffnung kennt mich nicht. (2)

Katja Nowak:

Wir brauchen Hoffnung, das ist eine schwere Erkrankung, das ist eine schreckliche Zeit. Und sie geht in den meisten Fällen gut aus, aber man weiß es nicht. Und deswegen braucht man diese Hoffnung, die einen dadurch trägt.

Sagt Katja Nowak, die sich für krebskranke Kinder und ihre Angehörigen einsetzt. Bei Katja Nowak ist es nicht gut ausgegangen. Sie hat ihren ersten Sohn verloren. Leukämie. Daher weiß sie, wie es sich anfühlt, wenn die Diagnose kommt:

Katja Nowak:

Man wird von einem Moment aus dem anderen aus dem Leben gerissen und weiß gar nicht, was einem geschieht.

Mehrere Jahre immer wieder Behandlungen und dann am Ende doch der Abschied von dem Kind. Drei Mal in der Woche geht Katja Nowak heute als Familien- und Trauerbegleiterin auf die Kinderkrebsstation und verteilt dort Mut-Perlen (3). Sie sind aus bunter Modelliermasse und können desinfiziert werden. Für jede Behandlungsart gibt es eine eigene Perle. Ganz am Anfang der Mut-Perlenkette gibt es…

Katja Nowak:

…den Hoffnungsanker, dass diese Zeit hoffnungsvoll die ganze Zeit begleitet wird und den Namen des Kindes.

Gib dich nicht auf. Ein Spruch auf einer Lampe. Ein Hoffnungsanker und ein Name am Anfang einer Mut-Perlenkette. Etwas, das hält, wenn einen die Diagnose Krebs umhaut. Für manche ist das der Glaube an Gott. In der Bibel lese ich, wie jemand dem leidenden Hiob Mut macht und sagt: „Auch dich reißt Gott aus dem Rachen der Angst, in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist.“ (Hiob 36,16, Luther 2017).

Abgeschottet sein von der Welt in einem sterilen Raum im Krankenhaus – und weiten Raum unter den Füßen haben, den offenen Himmel sehen. Beides gehört bei einem Leben mit Krebs dazu. Katja Nowak weiß, dass die jüngeren Kinder damit meist ganz offen umgehen und sagen:

Katja Nowak:

Es ging mir vor drei Tagen ganz besonders schrecklich, dafür möchte ich auch die Perle darein einfädeln und ich möchte die auch drei Tage hintereinander rein fädeln, weil es mir so schlecht gegangen ist. Aber danach auf einmal wurde es wieder besser, mir war nicht mehr schlecht, mir war nicht mehr übel und dafür brauche ich dann die rote Perle, die bei uns dann für den guten Tag steht.

„Bald reißt der Himmel auf, dort scheint ein Stern für Dich

und er blickt hinab und gibt dir die Kraft Unmögliches zu überstehn

ich lass dich nicht mehr los, ich bin ein Teil von dir

denn das ist das Leben, es kann alles geben, komm kämpf dafür, komm kämpf dafür.“

Das Wort Hoffnung kommt von Hüpfen. (4) Hier, im Probenraum der „fighting spirits“, verstehe ich besser, was es heißt: Gib dich nicht auf. Weil ich sie singen sehe, weinen, lachen, hüpfen. Die ‚kämpfenden Geister‘ in Düsseldorf, die Kranken und ihre Freunde und Geschwister.

Es gilt das gesprochene Wort.

(1) Und (2) www.fighting-spirits.de. Alle Songs kommen von dieser Homepage. „Bald reißt der Himmel auf“ (1), „Lina´s Song / Das hab ich nicht erwartet“. GEMA-freie Songs. Mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen und Autoren sowie Alexandra Vahlhaus und Michaela Steffen.

(3) https://www.kinderkrebsstiftung.de/krebs-bei-kindern/mutperlen.html
Die Mut-Perlen gibt es auch als App. Hier finden sich alle Erklärungen zu den Perlen.

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Hoffnung hopen = „hüpfen.