Gold

Morgenandacht
Gold
06.01.2020 - 06:35
19.12.2019
Ulrike Greim
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„Deine Gabe, meine Liebe – deine Gabe ist pures Gold.“

Brigitte ist eigentlich Sekretärin. Was heißt ‚eigentlich‘ – sie ist Sekretärin. Zwar ist sie eher die Managerin dieses Verwaltungsamtes, aber bezahlt wird sie als Sekretärin. „Eigentlich“ heißt, dass sie viel mehr auf dem Kasten hat. Aber das zeigt sie nicht. Vielleicht weiß sie es auch nicht so genau. Oder ahnt nicht, dass hinter ihrer Gabe viel mehr steckt. Sie nennt es Hobby.

 

Brigitte treffe ich in der kreativen Schreibwerkstatt. Sie braucht wenig Anregung, sofort loszuschreiben. Eigentlich nur den Raum und die Zeit und die Erlaubnis. Thema ist gut, aber es ginge auch ohne.

Gib ihr eine Zeile, und sie legt sofort los, ohne Vorwarnung. Und während andere ein Stückchen zu Papier bringen, sind es bei ihr drei. Total unterschiedlich, jeweils sehr intensiv. Es ist, als ob sie nur auf eine Gelegenheit gewartet hat, schreiben zu dürfen. Es fließt ihr aus der Feder. Archaisch schön. Ungeschliffen und voller Kraft.

Machst du das öfter? Nein, sagt sie. Sekretärinnen schreiben Protokolle, tippen Briefe, die andere diktieren, ein paar formulieren sie selber. Die nüchternen, wo es um irgendwelche Zahlen geht.

Deine Gabe ist pures Gold, sagen die anderen in der Gruppe. Und Brigitte weiß nicht, was die meinen.

Soll sie mit Schreiben Geld verdienen? Wohl kaum. Viel zu unsicher. Nach der Scheidung musste sie arbeiten, die beiden Kinder durchbringen.

Die sind jetzt erwachsen.

Und jetzt schreibt sie einfach für sich. Während andere quasseln, hat sie schon das nächste Papier in der Hand, es rattert in ihrem Kopf und sie drechselt Worte und malt Bilder.

Es ist schön, ihr zuzusehen.

 

Gold muss geborgen werden. In Südafrika sind es Minen unter Tage, bewacht durch bewaffnete Soldaten. Das wertvolle Metall liegt 2 km tief im schweren Gestein. Gold muss ans Licht geholt werden. Die Techniken sind unterschiedlich und zum Teil sehr aufwändig. Man muss es wollen – das Gold ans Licht holen.

Und dann – was macht man, wenn man Gold findet? Gleich verkaufen? Oder freut man sich erst einmal? Und behält ihn für sich, den Goldschatz, weil es so schön ist, ihn zu besitzen?

Gold. Man kann es auch bearbeiten lassen. Durch fremde Hände. Es gibt die, die helfen eine Gabe zu entwickeln, an ihr weiter zu arbeiten, das Gold zu polieren.

 

Brigitte will nicht glänzen. Sie will gar nicht zeigen, was sie da unter Tage ihrer Seele ans Licht befördert. Sie mag den Prozess. Das reicht ihr. Laut vorlesen – nur zur Not. Andere gäben etwas darum.

 

In der Schreibwerkstatt steht auf der Fensterbank neben dem Adventskranz immer noch die kleine Holzkrippe.

Maria, Josef, das Jesuskind. Und die heiligen drei Könige. Mit Weihrauch, Myrrhe und: Gold.

Gold für das Kind.

Dieses Gold hat eine lange Reise gemacht. Gehört es hier hin?

Zum Neugeborenen, von zwei einigermaßen mittellosen Menschen in anrüchiger Gesellschaft, den Hirten in Arbeitsklamotten.

In einem Palast käme es besser zur Geltung. Hätte mehr Licht.

 

Doch dem Gold ist es egal, wo es liegt. Scheinwerferlicht oder Kerzenschein. Gold kann unter einer Vitrine glänzen. Oder einfach ins Leben gehören: An die Hand von Paaren, von Liebenden.

 

Der eine Heilige König hält dem Gott-Baby in der Krippe sein Gold hin. Weise.

„Ich komme, bring und schenke dir,

was du mir hast gegeben.

Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,

Herz, Seel und Mut, nimm alles hin

und lass dir’s wohlgefallen.“ (EG 149)

So heißt es in dem Weihnachtslied.

 

Brigitte will nur für sich schreiben. Ist schon ok. Alles gut.

Aber dann schreibt sie doch ein Gebet für den Höchsten. Und hält es dem Gottessohn hin.

Als sie es in der Schreibwerkstatt vorliest, rollen fast allen in der Runde die Tränen. Es ist so tief und kompromisslos ehrlich, was sie schreibt. Es hat Wucht.

Nun ist sie die heilige Königin und ihre Gabe aus purem Gold.

Ihre Worte stellen uns vor die Krippe und wir staunen.

Das Kind in der Krippe lässt es sich wohlgefallen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

19.12.2019
Ulrike Greim