Jesus Christus, Sohn und Herr

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Juliana Romão

Jesus Christus, Sohn und Herr
23.11.2022 - 06:35
14.10.2022
Silke Niemeyer
Sendung zum Nachhören

Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 

Die Sendung zum Nachlesen: 

„Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn.“

Die Jungs aus meiner Klasse hatten im Reliunterricht einen Riesenspaß, als wir das Glaubensbekenntnis durchnahmen und zu diesem Satz kamen. Das Wort „eingeboren“ hatte es ihnen angetan und wurde mit viel Getöse und Gefeixe durch die Luft geworfen.

 

Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen, sprich einzigen, Sohn, den wir Christen ‚unseren Herrn‘ nennen. Befreit man das, was da steht, von der alten Übersetzung und Katechismuspaukerei und erzählt die Geschichte, die dazugehört, dann könnten auch 14jährige Jungs das richtig spannend finden.

 

Es beginnt im Jahr 55 unserer Zeitrechnung. Da sitzt Paulus, der christliche Apostel, über einem Brief an die Gemeinde in Rom. Die Leute da sind ihm unbekannt. Er hat aber vor dorthin zu reisen, dahin, wo das Herz der Macht schlägt und der Gottkaiser allgegenwärtig ist. Wie stellt er sich am besten vor? Ratsam wäre: nicht allzu forsch, ein paar Höflichkeitsadressen und so weiter. Man sollte vorsichtig sein. Es gibt Spitzel und Kollaborateure. Aber nein. Paulus beginnt mit einer Breitseite. Er stellt sich vor als Sklave des Christus Jesus. Ich bin sein Gesandter, so schreibt er, der das Evangelium von Christus Jesus ausrichten will, dem Sohn Gottes, unserem Herrn. Der jüdische Philosoph Jacob Taubes berichtet, wie ihm bei diesen Worten noch zwei Jahrtausende später die Spucke wegbleibt: „Ich will betonen, dass das eine politische Kampfansage ist, wenn an die Gemeinde nach Rom ein Brief, der verlesen wird, von dem man nicht weiß, in welche Hände er fällt, und die Zensoren sind keine Idioten, mit solchen Worten eingeleitet wird (1)... Ich sitze da, lese den Text und denke: Ist der meschugge geworden...?“  (2) Ja, Paulus schreibt hier praktisch die Urteilsbegründung für sein Todesurteil. Und tatsächlich:  Er ist später in Rom hingerichtet worden.

 

Allein „Jesus Christus“ zu sagen, ist bereits eine Provokation. Heute hört man das als Eigennamen, wie Fritz Müller. Aber „Jesus Christus“ ist ein Statement: „Jesus ist der Christus!“, übersetzt: Jesus ist der Gesalbte, der Messias – das ist der Königstitel in Israel. Jesus ist König. Das zu behaupten ist hoch brisant. Und wirklich lebensgefährlich wird es, wenn Paulus dann noch nachsetzt: Der Christus Jesus ist der einzige Sohn Gottes, unser Herr. Wer das in Rom hört, kann das nur als Widerstand verstehen gegen den römischen Gottessohn und Herrn, so nannte sich der Kaiser.

 

Das kann man meschugge nennen! Man kann es aber auch Passion nennen, heilige Verrücktheit, unbeirrten Glauben. Was für ein Widerstandsgeist! Es ist Geist der Wahrheit, der Geist, der Hans und Sophie Scholl bewegt hat ihre Flugblätter in der Münchener Uni vom Balkon zu werfen. Und solcher Geist der Wahrheit ist es auch, der die Frauen im Iran bewegt, ihre Kopftücher öffentlich zu verbrennen, und die russische Journalistin Marina Owsjannikowa, ein Antikriegsplakat vor die Kamera zu halten. Solcher Geist ist unabhängig vom konfessionellen Bekenntnis, aber nie ohne Glaube, nie ohne Hoffnung, nie ohne Liebe. Und immer mit der beharrlichen, ungedeckten Überzeugung: die Herren der Welt haben nicht das letzte Wort. In diesem Geist liegt Kraft, die in den Schwachen mächtig ist. Die Bibel nennt das Auferstehung.

 

Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn.

Ich stehe auf, spreche das mit und bekenne mich als Christin. Ich will etwas haben von dem Glauben und der Widerstandskraft derer, die, als es wirklich darauf ankam, bekannt haben: Wir haben keinen Herren, außer Jesus, den sie gekreuzigt haben und der nicht totzukriegen ist.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur dieser Sendung:

  1. Jacob Taubes, Die politische Theologie des Paulus, 3. Auflage, München 2003, S. 27
  2. Ebd, S. 38
14.10.2022
Silke Niemeyer