Katharina von Alexandria

Morgenandacht
Katharina von Alexandria
25.11.2020 - 06:35
20.11.2020
Matthias Viertel
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Die Sendung zum nachlesen: 

 

Gleich fünfzig Wissenschaftler und Gelehrte in einer öffentlichen Diskussion zu überzeugen – das braucht so viel Mut wie Verstand. Und vermutlich noch viel mehr, wenn eine Frau das schafft. Katharina ist das gelungen und das allein wäre schon Grund genug für einen Gedenktag. Der 25. November ist der Heiligen Katharina von Alexandria gewidmet, sogar in der evangelischen Kirche.

Der Überlieferung zufolge soll sie im frühen 4. Jahrhundert in Alexandria, in Ägypten gelebt haben. Die kluge Katharina hatte sich von einem Eremiten zum christlichen Glauben bekehren lassen. Mutig protestierte sie öffentlich beim Kaiser, als dieser von ihren Glaubensgeschwistern wieder einmal Götzenopfer verlangte. Die Legende erzählt, dass der Kaiser daraufhin 50 Philosophen und Gelehrte zusammenrief, die in einer öffentlichen Diskussion gegen Katharina antreten sollten. Der Plan des Kaisers misslang. Statt Katharina zu widerlegen bekehrten sich alle fünfzig Gelehrten zum christlichen Glauben, beeindruckt von Katharinas Argumenten. Das war gefährlich im frühen 4. Jahrhundert, denn nun traf sie alle die Strafe, sie wurden hingerichtet, auch Katharina. Deshalb gilt sie als christliche Märtyrerin und wird als einer der Nothelfer verehrt. Wegen ihrer Gelehrsamkeit wurde sie überdies zur Patronin vieler Kirchen und Bildungseinrichtungen.

Aber gerade die Bildung ist dabei zum Problem geworden. Denn inzwischen besteht Klarheit darüber, dass es diese Katharina zumindest als historische Person gar nicht gegeben hat. Sie sollte deshalb auch schon aus dem Heiligenkalender entfernt werden, aber auch die evangelische Kirche hielt an ihr fest, obwohl es sie historisch betrachtet nicht gegeben hat. Und das hat gute Gründe.

So ganz aus der Luft gegriffen waren die Geschichten um Katharina von Alexandria nämlich nicht. Allerdings ging es dabei ursprünglich weder um eine christliche Märtyrerin noch um die Verfolgung durch einen römischen Kaiser. Vorbild für die Legenden war vielmehr eine Philosophin aus eben dieser Zeit. Die hat tatsächlich gelebt und hieß Hypatia. In Alexandria lehrte sie Philosophie und Mathematik an einer der ersten Universitäten, dem Museion. Diese Bildungseinrichtung war schon wegen der unvorstellbar großen Bibliothek weltberühmt. Außergewöhnlich, dass eine Frau damals eine derartige öffentliche Position einnehmen und sich in der von Männern dominierten Wissenschaft behaupten konnte. Sie hatte dementsprechend mit vielen Anfeindungen zu kämpfen. Gerade von der Mehrheit der Christen, denen die unabhängige, nichtchristliche Wissenschaft ein Dorn im Auge war. Das spitzte sich schließlich so zu, dass der Patriarch von Alexandria die religiösen Gegensätze ausnutzte, um sie zu verhaften und schließlich unter Folter hinrichten zu lassen.

In der Legende von der Heiligen Katharina wurden die Seiten einfach vertauscht: Aus den Opfern wurden Täter und die Täter zu Opfern gemacht. Tatsächlich wurde in diesem Fall nicht die Christin wegen ihres Glaubens verfolgt, sondern die Philosophin, weil sie sich nicht bekehren lassen wollte. Erhalten geblieben sind in der Legende allerdings die Details, zum Beispiel die Diskussion mit den 50 Gelehrten und die ausführlich geschilderten Qualen der Folter.

Das, finde ich, ist ein guter Grund, den Gedenktag an Katharina nicht einfach aus dem Kalender zu streichen. Heute Katharina von Alexandria in Erinnerung zu rufen heißt, damit zugleich an die Philosophin Hypatia zu denken. Und daran, wie schnell die Seiten getauscht werden können; wie groß die Versuchung ist, aus Opfern Täter zu machen. Und das ist letztlich wohl das Wichtigste an allen Heiligengestalten: sie transportieren Geschichten, die zum Nachdenken bringen. Und so stimmt es dann doch: Katharina gilt als Schutzpatronin für Philosophen und Denker, ebenso für Schulen und Universitäten. Ihr Gedenktag heute steht an der Schwelle zwischen dem alten und einem neuen Kirchenjahr vor dem Beginn der Adventszeit.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

20.11.2020
Matthias Viertel