Konflikte sind wie Regen

Morgenandacht
Konflikte sind wie Regen
Wie kann ich gut streiten?
16.11.2017 - 06:35
08.11.2017
Pfarrer Martin Vorländer
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Konflikte sind wie Regen. Gibt es zu wenig davon, entsteht Wüste. Gibt es zu viele, versinkt alles im Schlamm. Wie kann ich gut streiten, so dass es weder öde wird noch zur Schlammschlacht kommt? Mein Vorbild ist Jesus. Der hat sich viel und gern gestritten. Aber er mochte die Leute nicht, die herumkrakeelen und verbal auf andere losgehen, nur um sich selbst in Szene zu setzen. Jesus konnte es nicht leiden, wenn jemand groß herumtönt, aber sich selber nicht an das hält, was er sagt. Solche Leute nannte Jesus „Schlangen und Otterngezücht“.

 

Das ist für mich eine Testfrage für einen guten Streit: Blase ich mich nur künstlich auf oder geht es mir wirklich um die Sache? Und umgekehrt: Mit manchen Leuten hat es keinen Zweck sich zu streiten. Denn es geht ihnen nicht um eine ehrliche Auseinandersetzung. Sondern vor allem darum, ihre Sicht laut zu machen und alles, was dagegen spricht, auszublenden. Solche suchen einfach nur einen Anlass, um draufzuhauen.

 

In sozialen Netzwerken tummeln sich auch mental asoziale Menschen, die ihren Lebenssinn darin sehen, andere zu attackieren. Ein Artikel in der Zeitung, der Kommentar im Fernsehen oder ein Beitrag auf Twitter und Facebook passen einem nicht? Da wird nicht mehr nachgedacht und überlegt, sondern sofort draufgeklatscht! Her mit dem Shitstorm! Sachliche Argumente, eine faire, anständige Diskussion haben dann kaum noch eine Chance.

 

Manchmal hilft, was ich mir auch bei Jesus abschauen kann. Jesus konnte genial nachfragen. In einer Geschichte in der Bibel (1) kommt ein gelehrter Mann zu Jesus, ein Vertreter der offiziellen Religion. Der tut so, als würde er gern mit Jesus diskutieren. In Wirklichkeit stellt er eine Fangfrage, um Jesus als Ketzer an den Pranger zu stellen. Er dreht gleich das ganz große Rad und fragt Jesus: „Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?“ Ewiges Leben, Riesen-Thema. Da kann man alles falsch machen. Doch Jesus tappt nicht in die Falle, sondern fragt zurück: Was denkst du denn darüber? Wie verstehst du, was in der Heiligen Schrift dazu steht?

 

Ich finde es klug, erst einmal zu fragen, was der andere denkt. Oft nämlich eskaliert ein Streit, weil ich nicht richtig verstanden habe, was der andere eigentlich sagen wollte. Die Frage kann ganz einfach sein: Wie meinst du das? Dann muss der andere Farbe bekennen. Er kann genauer erklären, was er sagen will. Im besten Fall entsteht dann wirklich ein Dialog und nicht nur ein Schlagabtausch. So passiert es in der Geschichte in der Bibel. Jesus fragt nach: Was man tun muss, um das ewige Leben zu bekommen – was liest du dazu in der Heiligen Schrift? Und der Mann antwortet: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. – Na also, sagt Jesus. „Tu das und du wirst leben.“ Jetzt aber ist das Interesse des Mannes geweckt, und er fragt nach: Ja, wer ist denn mein Nächster? Auf einmal geht es nicht mehr um Fangfragen, sondern um ein echtes Gespräch.

Nachfragen hilft, damit ich verstehe, was den anderen bewegt. Ich muss meine Frage natürlich ernst meinen. Ich muss mich wirklich dafür interessieren, was der andere meint und warum. Das bedeutet auch, dass ich mich selbst in Frage stellen lasse. Manchmal anstrengend, aber es hilft mir, meine eigenen Argumente klar zu bekommen. Sich selbst zu hinterfragen, ist ein Schlüssel, um gut miteinander zu streiten. Dafür muss ich es schaffen, die Frage oder die Bemerkung des anderen nicht als Angriff zu verstehen. Ich kann sie stattdessen nutzen, die Gründe für meine Meinung noch besser zu fassen und auszudrücken.

Am Ende einer Auseinandersetzung muss ich nicht mit dem anderen einer Meinung sein. Aber im besten Fall verstehe ich ihn besser. Und der andere mich. Dann ist Streit gut.

 

 

(1) Lk 10,25-29

08.11.2017
Pfarrer Martin Vorländer