Liebe und Glaube sind Zwillinge

Morgenandacht
Liebe und Glaube sind Zwillinge
10.07.2018 - 06:35
23.05.2018
Eberhard Hadem
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Zauber und Wunder, aber auch Enttäuschung finde ich in der Liebe. Manchmal spüre ich die Liebe wie einen unaufhaltsamen Strom von großer Energie und Lebenskraft, der mich durchfließt. Doch habe ich die Zeiten nicht vergessen, in denen ich mich von der Liebe ausgeschlossen fühlte, wie ein Fisch am trockenen Land.

 

Der Glaube ist der Liebe sehr ähnlich. Die Erfahrungen unterscheiden sich nicht so sehr, wenn wir lieben und wenn wir glauben.

 

Den Zauber des Glaubens erleben manche Menschen dort, wo sie sich aufgehoben fühlen in einem großen Ganzen. Manche erfahren das ganz intensiv beim Meditieren; sie können sich ganz fallen lassen in das Vertrauen zu Gott. Wie in der Liebe kann man auch im Glauben die schöne Erfahrung machen, sich verlieren zu dürfen und auf die Güte Gottes, eines Liebenden und Geliebten zu vertrauen. So jubelt ein Beter im 36. Psalm (8f.):

 

Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.

 

Manchmal begegne ich Menschen, die Güte ausstrahlen, ganz so, als habe die Liebe Gottes sie wie ein Kachelofen erwärmt, und nun geben sie diese Wärme weiter an andere. Sie verströmen sich – und ich habe bei diesen Menschen nicht das Gefühl, dass sie eine Gegenleistung für sich wollen. In einem Liebesgedicht von Joachim Ringelnatz heißt es:

 

Ich hab dich so lieb.

Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken.

 

Wenn man weiß, in was für kalten Absteigen und Studierstuben Joachim Ringelnatz hat leben müssen, in Berlin und München, wo die Kacheln am Ofen mal so gerade eben warm wurden, dann kann man ermessen, dass diese so salopp klingenden Worte von Hingabe und Güte erzählen. Sein Gedicht endet mit den beiden Sätzen:

 

Die Löcher sind die Hauptsache in einem Sieb. Ich hab dich so lieb.

 

Die Löcher im Sieb verstehe ich so, dass einer sich durchlässig, offen macht für den anderen; die beiden etwas miteinander teilen. Gemeinsam essen, gemeinsam Gedanken austauschen, kann sehr bereichernd sein. Doch manchmal kann bei zwei Menschen, die sich schon sehr lange kennen, Gespräch wie Essen ziemlich trübe und langweilig sein. Wilhelm Busch hat das so unnachahmlich bissig in seinem Gedicht „Die Liebe war nicht geringe“ nachempfunden. Dort heißt es in der Sprache der vorletzten Jahrhundertwende:

 

Bei eines Strumpfes Bereitung / sitzt sie im Morgenhabit.

Er liest in der Kölnischen Zeitung / und teilt ihr das nötigste mit.

 

Da möchte man am liebsten davonlaufen, so grässlich klingt das, so belanglos leben diese beiden nebeneinander her.

 

Aber es gibt auch jenes andere Essen, wo Gespräch und vielleicht ein Rotwein den Tag verändern, weil zwei Menschen sich nahe kommen, sich erzählen, was am Tag geschehen ist, beide einander teilhaben lassen, darüber sprechen, was sie berührt.

 

Wie in der Liebe, so gibt es auch im Glauben diese besonderen Begegnungen. Immer wieder erlebe ich, wie Menschen sich von den einfachen Gaben in Brot und Wein berühren lassen. Sie spüren beim gemeinsamen Abendmahl, wie sehr sie Teil der großen Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen sind, dass auch sie – so wie sie sind – aufgehoben und bewahrt sind in Gottes Barmherzigkeit und Güte. Es ist eine beglückende Erfahrung, in der ich mich vertrauensvoll einfüge in die Gemeinschaft.

 

Ich bin Teil eines größeren Ganzen. Im Gottesdienst, in der Liturgie und im Abendmahl fühle ich mich verbunden mit denen, die da sind und leben, aber auch mit allen Verstorbenen und noch zukünftig Geborenen, um mit ihnen und allen Heiligen und Engeln das Lob Gottes zu singen. Wir sind keine Gesinnungsgenossen, die alle dasselbe denken. Sondern die Anwesenden – so gegensätzlich, so widersprüchlich, wie sie sind – werden ein geistiger Leib, eine Gemeinschaft, weil Christus den Frieden unter ihnen stiftet, den sie weitergeben und teilen. Das zu erleben, ist für mich ein Wunder des Glaubens.

 

Menschenkinder werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, Gott, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.

23.05.2018
Eberhard Hadem