Menschenfabrik

Morgenandacht
Menschenfabrik
22.07.2019 - 06:35
13.06.2019
Marita Rödszus-Hecker
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Roboter-Männer, Roboter-Frauen und Roboter-Kinder – die gibt es schon. Zur Freude von alten japanischen und deutschen Damen, die sich mit diesen sogenannten „Kindern“ unterhalten und mit ihnen Lieder singen. Zum Erschrecken aber derer, die sich gruseln, wenn sich die Grenze zwischen Mensch und Maschine, zwischen belebt und unbelebt so verwischt. Und die als Problem vor Augen haben: die künstlichen Geschöpfe tragen keine Verantwortung für das, was sie tun. Das hat der Arzt und Schriftsteller Oskar Panizza schon vor über hundert Jahren deutlich gemacht. Panizzas fantastische Erzählung „Die Menschenfabrik“ bringt es auf den Punkt.

 

Es ist spät in der Nacht, so beginnt die Geschichte, und ein junger Wanderer sucht nach einem Nachtquartier. Er stößt auf eine große Fabrik und läutet am Eingangstor. Der Direktor öffnet ihm persönlich. „Entschuldigen Sie die Störung.“, sagt der junge Mann. „Was ist das für eine Fabrik?“ Der Direktor antwortet: „Eine Menschenfabrik.“ Der Wanderer, irritiert: „Sie fabrizieren Menschen?“ „Ja, wir machen Menschen.“ Der Wanderer, ratlos: „Sie können doch nicht Menschen machen wollen, wie man Brot macht?“ „Ja,“ ruft der Direktor. „Ihr Vergleich ist gut: Wir machen Menschen, wie man Brot macht.“ Der Wanderer: „Menschen machen Sie, aber zu welchem Zweck? Wozu Menschen machen, wenn sie täglich zu Hunderten geboren werden? Welcher Art sind ihre Menschen? Wie kommen Sie zu der ganz ungeheuerlichen Idee?“

 

Der Besitzer der Fabrik, sichtlich stolz auf sein Lebenswerk, lädt den jungen Mann zu einem Rundgang durch die Menschenfabrik ein: In einem Raum liegt ein wunderschönes Mädchen. In einem anderen Raum tummelt sich eine fröhliche Kinderschar. Alle mit strahlenden Augen und mit frischen roten Backen.

„Um Gottes Willen,“ entfährt es dem Wanderer, „wie kommen sie auf den Gedanken, auch künstliche Kinder zu machen?“ Die Antwort des Fabrikbesitzers: „ Wissen Sie, unsere heutigen Ehen sind so schlecht. Können wir das solchen Eltern überlassen, dass sie Kinder zeugen?“ Der Wanderer, entsetzt: „Sie werden doch nicht unserer Menschengeschlecht und seine Fortpflanzung in Frage stellen wollen?“ Der Fabrikbesitzer: „Wir wollen nur einige Verbesserungen anbringen. Wir statten unsere Menschen bei der Geburt mit einer nach den besten Mustern hergestellten Kollektion leiblicher und geistiger Vorzüge aus.“ Das alles ist dem Wanderer zu viel: „Um Gottes Willen, sagen Sie mir, was das heißen soll. Wie können die künstlichen Geschöpfe verantwortlich für ihre Fehler gemacht werden? Die Moral, als Grundlage unseres Handelns, hört auf. Was haben Sie getan?“

 

Genau darin liegt das Problem: wie können künstliche Geschöpfe, Roboter oder Computer, verantwortlich für ihr Handeln sein? Was immer sie tun, sie können sich darauf herausreden: „Wir sind unschuldig. Wie wollt ihr uns verantwortlich machen für unsere Fehler? Unsere Hersteller wollten uns so.“

 

Ich hoffe, dass es nicht erst die künstlichen Wesen sind, die uns die Frage nach der Verantwortung stellen. Auch wenn Menschen Gott spielen, heißt es noch lange nicht, dass sie damit Gott sind. Aber die Vorstellung, dass Fortpflanzung auf natürlichem Wege als verantwortungslos und antiquiert gilt, findet sich durchaus schon. Kinder scheinen zu wichtig, um ihre Produktion einem zufälligen Zusammentreffen von Sperma und Eizelle zu überlassen.

 

In der christlichen Tradition besitzen Menschen Würde als Geschöpfe und Ebenbilder Gottes. Sie werden nicht nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet: Woran fehlt es ihnen? Was sind ihre Defizite? Menschen sind mit keiner Maschine zu verwechseln. Sie können in aller Freiheit sagen: „Mit mir nicht“ und zeigen, dass sie selbst Verantwortung tragen für das, was sie tun.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.06.2019
Marita Rödszus-Hecker