Nicht die Krone der Schöpfung

Morgenandacht
Nicht die Krone der Schöpfung
07.03.2019 - 06:35
03.01.2019
Ulrike Greim
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Ich fahre gerne Auto und ich fahre gerne schnell. Mein heimliches Wettrennen ist das gegen den Routenplaner. Ha! Wieder zwei Minuten herausgeholt! Deutschland einig Raserland – Ich bin dabei. Oft ist auch mein Zeitplan so eng gestrickt, dass ich tatsächlich auf der Straße noch ein bisschen Zeit herausholen muss. Ich bin dankbar für Autobahnen, bei uns zum Beispiel die A71, die mir öfter viel Zeit spart.

 

Klar weiß ich, wie unökologisch das ist. Sonst achte ich auch darauf, kaufe im Bioladen, vermeide Plastikmüll, wo ich kann, kaufe das Wasser nicht in Flaschen, sondern sprudele selbst, usw… Aber beim Auto – da hört mein Umweltbewusstsein auf. Weil es auch gar nicht opportun ist. Alle machen das so. Es ist erlaubt. Es ist gern gesehen.

 

Ok, nicht in den Notaufnahmen und den chirurgischen Stationen. Nicht bei Notfallseelsorgerinnen und den Feuerwehrleuten, die bei jeder Gelegenheit erzählen, wen sie jetzt wieder aus dem Wrack herausgeflext haben. Aber bei allen, die ein – sagen wir mal – normales Leben führen, aktiv, engagiert, erfolgreich. Zum Beispiel, wenn man schaut, welche Autos beim Jahresempfang der Mittelstandsvereinigung auf dem Parkplatz stehen. Das sind keine E-Autos, keine Kleinwagen mit niedrigem Verbrauch. Das sind Karossen. Die wollen nicht 120 fahren auf Autobahnen. Autofahren muss Spaß machen. Lasst uns doch eines der letzten Reviere, in denen wir zeigen können, was bei uns unter der Haube steckt.

 

Ok, letzteres ist eine rhetorische Figur. So denke ich ziemlich selten. Ich wäre froh, wenn Deutschland entspannt. So, wie ich es im Urlaub auf Frankreichs Straßen erlebe, in Österreich, der Schweiz, neulich in Polen und überall sonst. Es wäre besser für meinen Puls. Für meine Seele, die manchmal nicht hinterherkommt, wenn ich superschnell gefahren bin und pünktlich ankomme, aber innerlich noch unterwegs bin.

 

Und – ja – mein ökologisches Gewissen wäre entlastet, wenn ich nur halb so viel CO2 in die Umwelt blasen würde. Klar weiß ich, dass mein Auto zum Klimawandel beiträgt.

Aber ehrlich: Man müsste mich verpflichten. Ich bräuchte eine klare Anweisung. Sonst geh ich nicht vom Gas. Ich fände es hilfreich, meine persönliche CO2-Bilanz einmal schwarz auf weiß zu sehen. Zu wissen: Das bin nur ich. Nicht die anderen. Nicht die SUV-Fahrer, nicht die Brummis. Das hier bin ich. Oh, ups. Das hier ist meine Verantwortung. Will ich das?

 

Selbst der Papst sagt: Der Klimawandel stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar. Zitat: „Der Mangel an Reaktionen angesichts dieser Dramen unserer Brüder und Schwestern ist ein Zeichen für den Verlust jenes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf das sich jede zivile Gesellschaft gründet.“

Der Mangel an Reaktionen. Ich befürchte, er meint mich.

 

Gestern hat eine Bundestagspetition begonnen. Meine eigene Landeskirche, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, hat sie auf den Weg gebracht. Für ein Tempolimit von 130. Aus ökologischer Verantwortung, aus sozialer Verantwortung. Aus dem christlichen Selbstverständnis heraus, dass wir hier auf dieser Erde nur zu Besuch sind. Wenn wir eines Tages unser letztes Hemd abgeben und die Verantwortung in Gottes Hände zurücklegen, wollen wir ehrlich sagen können, wir hätten unser Bestes versucht. Vier Wochen lang kann man mit unterzeichnen. Auf „bundestag.de“ anmelden und Stimme abgeben. Ist kein großer Akt.

 

Gibt’s nicht größere Themen, für die die Kirche in die Bütt müsste, hör’ ich schon die Kritiker? Klar, immer. Aber tut sie ja auch.

Aber Fakt ist doch, dass die Verantwortung für die Welt bei mir beginnt. Und es ist Zeit, jeden Stein umzudrehen und nachzusehen, ob er passt. Jedes Detail zu prüfen: Ist es wichtig? Ist es das wert? Das ist unsere Antwort auf Gottes Frage: Mensch, wo bist du?

Und – wenn allein alle Christinnen und Christen in unserem Land den Fuß vom Gas bekämen, das wäre schon messbar. Und hat etwas damit zu tun, zu entspannen. Sich zurückzunehmen. Nicht sich selbst zum Maßstab zu nehmen, sondern sich als Teil des Ganzen zu begreifen. Theologisch gesagt: Wir sind nicht die Krone der Schöpfung. Sondern nur ein Teil unter vielen anderen. Und das müssen wir ertragen. Mit Tempo 130. Auch wenn es mir schwerfällt: Ich bin dabei.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_01/_09/Petition_89913.mitzeichnen.registrieren.html

 

03.01.2019
Ulrike Greim