Spiegel

Morgenandacht
Spiegel
26.01.2019 - 06:35
13.12.2018
Sigrun Welke-Holtmann
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Einen Spiegel hat sicher jeder. Im Badezimmer, im Schrank oder in der Handtasche: riesengroß oder gerade mal fürs Gesicht, in Miniatur, zum in die Tasche stecken, mit schönen Verzierungen, Rahmen, oder einfach nur so.

Ein Spiegel ist eine ebene Fläche, mit Silber oder Aluminium beschichtet. Diese Fläche reflektiert, sie wirft das Bild zurück, das sich ihr gegenüber zeigt. Ein Spiegelbild eben, ein Abbild der Realität. Doch ist das immer ein objektives Bild? Was sieht man, wenn man in einen Spiegel schaut? Das, was man sehen will? Oder auch das, was man nicht sehen will, was verborgen bleiben soll?

 

Einzelnen Personen oder auch ganzen Gruppen, einem Volk den Spiegel vorzuhalten, das war eine der Aufgaben der Prophetinnen und Propheten im Alten Testament.

Den Menschen haben die Abbilder in diesen Spiegeln meistens nicht gefallen. Es waren ganz oft drastische Bilder, pointiert gezeichnet. Es waren Bilder, die Unrecht dokumentierten. Es waren Bilder, die Lug, Trug und Irrglauben, die die Sucht nach Macht nachgezeichnet haben.

Doch nicht immer hat das Spiegelbild dem Betrachter oder der Betrachterin ein eindeutiges Bild zurückgeworfen. Das Bild, das der Prophet Nathan dem großen und mächtigen König David zeichnet, scheint für den König auf den ersten Blick eine fremde Situation zu sein. Eine Situation, in der König David als Richter gefragt ist, nicht eine Situation, die ihn selbst betrifft.

Es geht um einen reichen und um einen armen Mann, um eine anonyme Schafherde und ein einzelnes Schaf. Geizige Gier und sorgenvolle Liebe stehen sich gegenüber. Der reiche Mann nimmt sich, nur weil er es kann, das einzige Schaf des armen Mannes. Und das von Hand aufgezogene Schaf fällt dieser gewissenlosen Gier zum Opfer.

 

Eine reale Situation in der damaligen Gesellschaft? Sicher, und sicherlich auch kein Einzelfall. Ein Vorfall, der vor einen gerechten König gehört, einen König, der für die Schwachen, Witwen und Waisen einstehen will. Ein Vorfall, der nach einem harten, nach einem eindeutigen Richterspruch verlangt: „So wahr der Herr lebt: der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat“ sagt König David dann auch dem Propheten Nathan.

„Du bist der Mann!“ Nathans Wort ist hart und löst das fremde Bild auf: Davids eigene Situation wird darunter erkennbar. Es ist nicht irgendein Fall, sondern Davids Fall. Er selbst hat sich mit Gewalt und nur aufgrund seiner Macht das genommen, was einem anderen gehört hat.

 

Was wird nun aus seinem Richterspruch?! Erst einmal nichts, denn David bekennt: Ich habe gesündigt!

Mit einem einzigen Satz bekennt sich der große König David schuldig. Er versucht sich nicht herauszureden, er versucht nicht, seine königliche Vorrangstellung zu betonen und damit besondere Rechte einzufordern: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn.“

Nimmt er das harte Urteil an, das er über sich selbst gesprochen hat? Das braucht er nicht, er gesteht seine Schuld ein und erfährt daraufhin Vergebung: „So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“

 

Einen Spiegel haben fast alle zuhause, im Badezimmer, im Schrank oder auch in den Handtaschen: riesengroß oder gerade mal fürs Gesicht. Vielleicht hilft er, den Balken im eigenen Auge zu sehen und eigene Schuld einzugestehen. Vergebung ist dabei kein Automatismus, aber immer wieder ein großes Wunder, ein Wunder das bis heute geschieht.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.12.2018
Sigrun Welke-Holtmann