Über-All

Morgenandacht

Bild: Thomas Dörken-Kucharz (Über-All vom Lambertikirchturm)

Über-All
Wer oben ist, hat's geschafft!?
29.05.2019 - 06:35
25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz
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Wer oben ist, hat’s geschafft. Er oder sie genießt die Aussicht, hat den Überblick, kann runtergucken auf das, was sich unten abspielt, auf die, die da unterwegs sind, manchmal klein wie Ameisen oder Maikäfer. Oben sein ist angenehm, fühlt sich manchmal erhaben an, dahinzukommen ist aber meist ganz schön beschwerlich. Der letzte Kirchturm, den ich bestiegen habe, steht in Münster. Es war der Turm der Lambertikirche. Die Anzahl der Stufen weiß ich nicht mehr, aber da oben wohnt eine Türmerin und die macht täglich mehrmals den beschwerlichen Weg die vielen Stufen hinauf und herunter und wieder hinauf – mir hat schon einmal gereicht. Um nach oben zu kommen, muss man sich anstrengen. Klettern, Leitern oder Treppen hochsteigen. Deswegen waren Häuser bis ins 19. Jahrhundert auch normalerweise nicht höher als vier oder fünf Stockwerke. Bis im Jahre 1853 Elisha Graves Otis den absturzsicheren Personenaufzug erfand und dessen Sicherheit auf der Weltausstellung in New York eindrucksvoll demonstrierte.

Seither erst wachsen die Städte in die Höhe. Erst dadurch wurden Wolkenkratzer und Türme möglich, die Kirchtürme winzig wirken lassen. Und war früher die Beletage, also in der Regel die erste Etage, die teuerste Wohnlage im Haus, so sind es seither die obersten beiden Stockwerke, das Penthouse.

Der Weg nach oben scheint leichter geworden zu sein, ist es der Weg in den Himmel auch? Vor tausenden von Jahren träumte der Erzvater Jakob von einer Himmelsleiter. „Und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder“ heißt es im 1. Buch Mose, Kap. 28. Hoffnungslos veraltet, würde man zunächst denken, es sei denn die Engel mussten nicht wirklich klettern, sondern schwebten daran wie Aufzugkabinen auf und nieder. Dann kommt das dem aktuellen Traum der NASA nahe. Die möchte nämlich einen Weltraumaufzug. Einen „space elevator“ oder Weltraumlift, der Menschen und Lasten von der Erde zur Raumstation bringt. Bislang hapert es aber schon – oder noch – daran, dass es kein Material für ein Seil gibt, das leicht und stabil genug ist, große Lasten von der Erde in die Umlaufbahn in 36.000 km Höhe zu bringen. Ein Transport per Aufzug wäre laut NASA aber viel billiger, als jedes Mal eine Rakete oder ein Shuttle schicken zu müssen.

Morgen ist Himmelfahrt. Da feiern Christen, dass Jesus in den Himmel aufgenommen wurde. Auch die Himmelsleiter des Jakob legt ja nahe, dass der Himmel Gottes oben ist und man weit hinauf muss, um in den Himmel zu kommen. Was wir als Wetterhimmel wahrnehmen, mag oben sein, der Himmel Gottes aber ist es nicht. Er ist nicht oben. Und um in ihn hineinzukommen, nützen uns keine Leiter, kein Aufzug und keine Rakete.

Jan Wörner ist der Generaldirektor der europäischen Raumfahrtbehörde ESA. Er hat für mich am schönsten ausgedrückt, wo der Himmel ist. Er sagte: „Im Deutschen benützen wir das Wort „Himmel“, aber da drüber, sagen wir, ist das Weltall, das All! Wenn wir noch einen Schritt weitergehen, jenseits des Alls, dann kommen wir nach Über-All. Und da ist Gott. Gott ist „überall“.(1)

Wenn man den Himmelfahrtsbericht in der Apostelgeschichte genau liest, ist auch da gar nicht von „nach oben entschweben“ die Rede, sondern davon, dass Jesus entschwindet, in eine andere Wirklichkeit hinübergeht. Er geht zu Gott und ist bei Gott. Aber das ist nicht irgendwo weit oben, sondern diese Wirklichkeit umgibt uns. Gott ist überall.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

(1) Jan Wörner am 27.5.2017 im Himmelfahrtsgottesdienst beim DEKT auf dem Berliner Breitscheidplatz

25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz