Vertrauen kann missbraucht werden

Morgenandacht
Vertrauen kann missbraucht werden
12.06.2019 - 06:35
25.04.2019
Jörg Machel
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„Was für ein Vertrauen“, das ist die Losung des evangelischen Kirchentags dieses Jahr. Für Herrmann war Vertrauen kein einfaches Thema mehr. Nicht, nachdem ihm diese Geschichte passiert ist:

Trotz seines hohen Alters konnte Herrmann die Zeitung ohne Brille lesen und sein Verstand war hellwach. Nur hören konnte er nicht mehr wie früher, doch war das schon Grund genug, das Autofahren aufzugeben? Die Familie drängte, seit langem schon, und mit Ende achtzig war es nun wirklich an der Zeit, das Auto zu verkaufen.

So ging Herrmann nun daran, das Auto auszuräumen und zu säubern. Zwei junge Männer boten Hilfe an, als er eine Kiste in den Keller tragen wollte, aber das war nicht nötig, die paar Dinge bewältigte er schon selbst. Man kam ins Gespräch. Ach ja, verkaufen wolle er den Wagen also. Das sei interessant. Da könne man ja vielleicht ins Geschäft kommen. Am besten gleich. Freundlich, zugewandt, vertrauenserweckend wirkten die gepflegten Männer. Doch schon im Fahrstuhl beschlich den alten Herrn ein mulmiges Gefühl. Was, wenn das nun Betrüger sind. Der Wagen ist weg und er steht dumm da. Die Männer begegneten der aufkommenden Skepsis. Wir würden gern eine Anzahlung machen. Morgen kommen wir dann mit dem restlichen Geld und dann machen wir einen Vertrag.

Sie legten 50 Euro auf den Tisch. Aber ach, zehn Euro bräuchten sie zurück, für die U-Bahn. Kein Problem, aus dem Sekretär holte Herrmann die Geldkassette. Doch wieder kam Misstrauen hoch, er legte das Geld zurück in den Schrank und verschob die Bezahlung auf den nächsten Tag. Da sei dann der Neffe dabei und man könne alles zusammen regeln. Der schweigsamere Begleiter bat darum, auf die Toilette zu dürfen und bekam den Weg gezeigt. Es zog sich etwas hin und dann der Ruf, dass die Spüle sich verklemmt habe. Das war schnell in Ordnung gebracht. Der Verhandlungsführer hatte im Zimmer gewartet.

Und plötzlich wusste Herrmann, da lief etwas gänzlich aus dem Ruder. Was haben Sie denn da unter ihrem Sakko? fragte er noch. Ach nichts, war die Reaktion und dann hatten die beiden Männer es plötzlich sehr eilig zu verschwinden.

Sofort ging Herrmann zum Sekretär und tatsächlich, die Kassette war weg. Wenig später war die Polizei zur Stelle. Einfühlsam nahmen die Beamten den Schaden auf und versuchten zu trösten. Das waren Profis. Herrmann hatte keine Chance.

Der Diebstahl war ärgerlich, doch die Wut über sich selber war geradezu war selbstzerstörerisch. Wie hatte er nur so vertrauensselig sein können. Er hatte doch schon im Fahrstuhl ein mulmiges Gefühl, schon als er den Sekretär öffnete, wusste er doch, dass es falsch war. Selbst den Toilettentrick hatte er intuitiv durchschaut. Aber gegen diese arglose Freundlichkeit der beiden war er machtlos.

Ein paar Wochen später kam die Polizei noch einmal. Diesmal ein Mann und eine Frau. Sie hätten die Täter gefasst und auch sein Geld haben sie sicherstellen können. Da aber auch Falschgeld bei der Beute war, müsse man nun bei allen Betrogenen schauen, ob da etwas aus den Raubzügen stammte. Unten im Polizeiwagen könne man das kontrollieren, gegen Quittung selbstverständlich. Herrmann zog seinen Mantel an. Er hatte ihren Trick durchschaut und auch die falschen Polizisten wussten, ihr Spiel war aufgeflogen. Unter dem Vorwand vorauszugehen verschwanden sie ganz schnell.

Am Telefon hatte Herrmann dann gleich die richtige Polizei. Sie kamen schnell und er bekam viel Lob für seine Cleverness.

Die Wunde aber, die dieser miese Vertrauensbruch gerissen hat, ist nicht verheilt, bis zum Tod von Herrmann nicht. Sie zeigt, welch hohes Gut Vertrauen ist.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

25.04.2019
Jörg Machel