Was für ein Vertrauen

Morgenandacht
Was für ein Vertrauen
11.06.2019 - 06:35
25.04.2019
Jörg Machel
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„Was für ein Vertrauen“, das ist die Losung des diesjährigen Kirchentages. Sie zitiert einen Ausspruch des Königs der Assyrer, mit dem er sich über den Glauben der Israeliten und ihren Gott Jahwe lustig macht.

„Die Schlachten zwischen den Völkern werden nicht auf Erden entschieden, sondern im Himmel.“ Das war Konsens im alten Orient. Wer den stärkeren Gott hat, der gewinnt den Krieg. Die Niederlage auf dem Schlachtfeld gilt als eine Niederlage des jeweiligen Gottes.

Doch für diesen Fall einer Niederlage entwickelten die Israeliten einen kühnen Gedanken: Durch fremde Gottheiten sind sie gar nicht zu besiegen, nur an Jahwe selbst können sie scheitern, und zwar dadurch, dass er ihnen seine Unterstützung entzieht und den Gegnern den Sieg schenkt. Israel verliert, wenn es nicht genug glaubt, nicht gottgemäß lebt, nicht bedingungslos auf den einzig wahren Gott Jahwe vertraut.

Obwohl es für die Kontrahenten feststeht: Ich glaube nicht, dass Gott sich als Schlachtenlenker betätigt. Für die Kriege sind Menschen verantwortlich und wer da siegt oder verliert, hängt von den Waffen, dem Wetter, der Motivation der Soldaten und tausend Details ab, aber nicht davon, dass Gott die Guten siegen lässt und die Bösen bestraft. Würde Gott das Kriegsgeschehen steuern, gingen Auschwitz, My Lai, Srebrenica auf sein Konto. Ein Gott, der in diesen Massakern seine Hände im Spiel hätte, wäre keiner Verehrung wert.

Was aber kann ich von einem Gott erwarten, der sich nicht bewegen lässt, das Flugzeug in der Luft zu halten, das brüchige Boot an sicheres Land zu bringen, der den Krebs nicht wegzaubert? Wie also kann der Glaube an einen Gott aussehen, der nicht steuernd ins Weltgeschehen eingreift, der Kriege und Katastrophen nicht verhindert?

Für mich wirkt Gott durch die Liebe. Sie bildet den Resonanzraum meines Lebens. Indem ich der Kraft der Liebe vertraue, verweigere ich mich der Logik seelenloser Kausalität.

Mein Gott ist in seiner Schwäche stark. Er thront nicht im Himmel, er liegt im Stall, in einer Krippe. Selbst in der äußersten Bedrohung verrät er die Liebe nicht. Statt von oben zu lenken, leidet er unten, an unserer Seite. Dieser Gott lebt die Liebe, einer angstgesteuerten Welt zum Trotz.

Er wurde gekreuzigt, er starb und doch lebt er. Damit bekenne ich, dass die Liebe stärker ist als der Tod, dass wir mehr sind als der Staub, aus dem wir bestehen. Die Liebe verbindet mein Leben mit allem, was mich umgibt und befreit mich so aus der Beziehungslosigkeit eines mechanistischen Weltbildes.

Gott als steuernder Weltenlenker wird mit jeder Nachrichtensendung ad absurdum geführt, aber als umfassende Liebe wirkt er in der Welt und setzt mich in eine zutiefst personale Beziehung zu allem, was mich umgibt.

Betrachte ich die Schöpfung als Werk der Liebe, wird Gott für mich vernehmbar: als Trost, als Anfrage, als Mahnung, als Korrektiv, als Ermutigung.

Und dann kann ich sogar mit der Umdeutung etwas anfangen, mit der die Israeliten ihren Niederlagen einen Sinn gaben. Ich kann eine Krankheit als Herausforderung begreifen, die mir etwas zu sagen hat und mir neue Wege eröffnet. Ich kann eine glückliche Rettung aus großer Gefahr als Geschenk annehmen, das mein Leben verändert. Ich wage sogar darauf zu hoffen, dass mein Leben am Ende ein sinnvolles Ganzes ergibt, statt im Nichts zu versinken.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

25.04.2019
Jörg Machel