Wichtiger als Schule

Morgenandacht
Wichtiger als Schule
21.02.2019 - 06:35
03.01.2019
Annette Bassler
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„Ach Schule! Es gibt wichtigeres als Schule!“ Unser Sohn hat das gesagt. Da war er 15 und seine Noten waren – na ja. Wir waren damals überzeugt: Schule steht immer an erster Stelle vor allen anderen Interessen. Damit man sich für die Zukunft keine Chancen verbaut. Aber alles Diskutieren half nichts. Unser Sohn bestand darauf. Es gibt Wichtigeres als Schule. Wie wahr das ist, habe ich erst viel später begriffen.

And diesen Streit muss ich heute denken, wo Tausende von Schülerinnen und Schülern jeden Freitag sagen: Es gibt Wichtigeres als Schule. Nämlich den Klimawandel stoppen. Schulstreik fürs Klima. Die Bewegung wächst von Woche zu Woche. Und immer mehr fragen sich: Was passiert hier eigentlich?

Ist das nicht grenzenlos naiv? Fragen manche. Klimawandel – seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler vor menschengemachtem Klimawandel. Mahnen an, weniger CO2 in die Luft zu blasen. Aber die Regierenden sagen: Da hängen zu viele Arbeitsplätze dran. Das geht nicht so schnell. In zwanzig Jahren, da schalten wir das letzte Kohlekraftwerk ab. Bis dahin haben wir den gesellschaftlichen Umbau geschafft.

Aber die Jugendlichen sagen: Glaubt ihr, dass das Wasser an Nord- und Südpol sagt: Na gut, dann tauen wir halt später auf. Und die Winde sagen: Dann wehen wir halt nicht bis ihr eure Autoindustrie umgerüstet habt? Habt ihr sie noch alle?

Die Initiatorin dieser Bewegung, die 16-jährige Greta Thunberg aus Schweden hat es auf den Punkt gebracht: „Ihr sagt immer, ihr wollt das Beste für eure Kinder und Enkel. Dabei lebt ihr so, dass es für uns keine Zukunft gibt. Ich will, dass ihr erkennt: Unser Haus brennt. Wenn das Haus brennt, diskutiert man nicht, man löscht die Flammen.“

Das klingt wie pubertäre Revolte. Aber Greta hat sich seit ihrem zehnten Lebensjahr intensiv mit Klimapolitik beschäftigt. Und wenn sie irgendwo spricht, fragt sie führende Wissenschaftler, ob das, was sie sagt, sachlich korrekt ist.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit diesem Schulstreik geht. Mich beschämen die Schülerinnen und Schüler. Nicht nur, weil sie in der Sache recht haben. Weil sie tun, was wir versäumt haben. Was wir seit Jahren hätten tun müssen. Was wir aber dann doch nicht tun, wenn es uns einschränkt oder unserer vermeintlichen Freiheit beraubt. Tempolimit? Im Prinzip ja, aber der Fahrspaß. Weniger Fleisch essen? Wollte ich schon immer, ich komm nur nicht dazu. Windräder? Gern, aber nicht in der Nähe meines Hauses.

Mich erinnern die Schüler an die Propheten des Alten Testaments. Die waren ja keine Hellseher. Die haben nur genauer hingeschaut als die Anderen. Und sie haben gewusst: Die Zukunft wird in der Gegenwart entschieden.

Die Propheten fühlten sich übrigens alle ziemlich jung. Zu jung. Oder sie glaubten, sie könnten nicht gut reden. Aber Gott hat zu ihnen gesagt: Geh und rede. Ich helfe dir.

Wichtiger als Profit, wichtiger als Wohlstand ist es dafür zu sorgen, dass die Erde auch morgen noch bunt und schön und lebenswert ist. Und es ist auch kinderleicht, wie das geht: Fossile Brennstoffe im Boden lassen, auf erneuerbare Energien setzen und insgesamt weniger Energie und Ressourcen verbrauchen.

Zu dem Propheten sagte Gott: Geh und ich helfe dir.

Ich hoffe, dass die Schülerinnen und Schüler das aus dem Mund vieler Erwachsener hören: Geht und wir helfen euch. Wir füllen für euch Formblätter aus, damit ihr freitags legal vom Unterricht befreit seid. Wir setzen das Thema Klimawandel auf den Lehrplan, wir laden Experten ein und demonstrieren am 15. März mit euch, wenn europaweit Schülerinnen und Schüler auf die Straßen und vor die Parlamente gehen. Damit endlich die nötigen Gesetze erlassen werden. Und wir sind bereit, unsere Gewohnheiten umzustellen. Weil wir wissen: Es gibt wichtigeres als Schule. Nämlich, miteinander eine gute Zukunft zu haben.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

03.01.2019
Annette Bassler