Wieviel Zeit bleibt uns noch?

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Tomas Kirvelavv

Wieviel Zeit bleibt uns noch?
27.10.2021 - 06:35
15.09.2021
Cornelia Coenen-Marx
Sendung zum Nachhören

Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 

Die Sendung zum Nachlesen: 

Das nächste Jahrzehnt wird über unsere Zukunft entscheiden. Ob es gelingt, die menschengemachte Erderwärmung zu beschränken – auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit?  Das wäre das Pariser Klimaziel, das 2015 von 196 Staaten und der EU beschlossen wurde. Um das bis 2050 zu erreichen, müssten die Maßnahmen sofort und konsequent umgesetzt werden. Mit dem, was bis heute beschlossen wurde, sind kaum 2 Grad zu schaffen.

 

Fünf Jahre nach Paris beginnt nächsten Montag in Glasgow die nächste Weltklimakonferenz. Und die Aktivistin Vanessa Nakate aus Uganda sagt:  "Für viele von uns reicht es nicht mehr, zu reduzieren und zu vermeiden. Man kann sich nicht an eine Kultur des Verlustes anpassen. Man kann sich nicht an eine verlorene Tradition anpassen. Man kann sich nicht an eine verlorene Geschichte anpassen. Man kann sich nicht an Hunger anpassen."

 

Es ist ernst. Und dabei geht es auch um globale Gerechtigkeit. Auch in Sibirien, wo der Permafrostboden taut oder in Australien, wo die Waldbrände vor zwei Jahren schon zwei Drittel der jährlichen Emissionen verbraucht haben. Theoretisch ist mir das klar.  Aber erst die Flutkatastrophe diesen Sommer hat mich spüren lassen, was da auf uns zukommt. Das fordert zum Handeln heraus – und es macht mir Angst. Es ist, als ob die Zukunft vor meinen Augen schrumpft. Die Erde hat ein Verfallsdatum und das Ende kommt vielleicht schneller, als wir uns vorstellen können. Das nächste Jahrzehnt wird über unsere Zukunft entscheiden. Wie können wir damit leben?

 

Frank Schätzing hat einen Thriller daraus gemacht – voller Schreckensszenarien, aber auch mit motivierenden Ideen und praktischen Tipps.  Weltrettung, meint Schätzing – das ist keine Überforderung, sondern ein ganz reales und lohnenswertes Ziel.  „Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ heißt sein spannendes Buch. Ich gebe zu - erst einmal bin ich zurück gezuckt. Wie soll ich die Welt retten- ich bin doch nicht Gott... Und wer dieses Wir überhaupt sein soll, weiß ich auch nicht recht.  – Aber dann spricht mich etwas an: Es geht ja gar nicht um uns – es geht um die Welt.

 

Es war ein Abend im März 2003. Ich war gerade aus den USA zurückgekommen; meine Freunde hatten mich gewarnt, jetzt nach Europa zu fliegen. An diesem Abend begann der zweite Irakkrieg. Bagdad wurde bombardiert. Und ich stand zuhause auf dem Balkon. Es dämmerte und die Vögel zwitscherten der untergehenden Sonne entgegen. Ein wunderbarer vielstimmiger Gesang, fremd und seltsam zum Bombenlärm in den Nachrichten. Noch immer ganz aufgewühlt von der hysterischen Stimmung in den USA stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ein Krieg diesem Wunder ein Ende machte.

 

Die Lage war bedrohlich –aber noch sangen die Vögel in meinem Garten. Ich gehöre zu der Generation, die mit der atomaren Bedrohung aufgewachsen ist. Und die beim GAU von Tschnernobyl den Kindern verboten hat, in den Garten zu gehen. Das waren die  Katastrophen, an denen ich gelernt habe, die Dinge radikal zu Ende zu denken. Aber an diesem Abend auf dem Balkon zeigte sich eine Welt, weit über meinen eigenen Horizont hinaus - Schönheit, Trost und Weite hinter der Angst.

 

Da war mir ganz klar: Was auch immer geschieht, ich will nicht, dass die Vögel aufhören zu singen. Dass die Bäume nicht mehr ausschlagen und die Bienen sterben. Ich wünsche mir, dass diese wunderbare Welt weiter besteht. Es geht nicht um mich, vielleicht nicht mal um uns. Es geht darum, die Schöpfung zu bewahren. Die Welt soll gerettet werden.

 

„Denn wir wissen ja, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und in Wehen liegt“, schreibt Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom. Es ist nicht mehr viel Zeit und die Schmerzen werden stärker. Es geht um das Leben, um die Zukunft. Da ist Angst ein schlechter Ratgeber. Ich vertraue lieber auf den kommenden Gott – und höre den Vögeln zu. Die singen schon vom neuen Tag. Ich will die Zeit nutzen, die mir noch bleibt, und einfach tun, was ich kann. Jetzt und in den nächsten Jahren. Es ist noch nicht zu spät.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

15.09.2021
Cornelia Coenen-Marx